Chillen mit Khan
(links: Khan und ich beim Einkaufen)
Khan war mein Nachbar in Freetown. Er wohnte zusammen mit drei Freunden in einem kleinen Bunglow nebenan. Meine Mitbewohnerin und Freundin Sarah und ich saßen oft nach Feierabend oder am Wochenende bei unseren Security Jungs vor unserem Tor. Haben das Leben auf der Straße vor uns beobachtet. Manchmal mit ner Flasche Wein, Chips oder Schokolade. So saßen wir oft stundenlang und haben mit unseren Jungs diskutiert. Sie haben uns viel erzählt, vom Leben in Sierra Leone, wie es ist wenn man im Busch aufwächst, wie es im Krieg war oder während der Ebola Zeit. Und so kam es, dass unsere kleine Gruppe immer größer wurde. Einige Nachbarn haben sich angeschlossen und wir hatten eine Gesprächsgruppe von 10-15 Leuten. So habe ich Khan näher kennengelernt. Als ich ihn noch nicht so richtig kannte, dachte ich von ihm, dass er einfach nur ein Partykönig und Super-Kiffer ist. Ok, das ist er auch, aber er ist auch noch viel mehr.
Khan ist 30 Jahre alt, studiert irgendwas IT-mäßiges und wird gesponsert von seinem Daddy. Der ist nach Amerika ausgewandert und verdient dort genug Geld um Khan, seine Geschwister, Ehefrau und sonstige Familienmitglieder zu unterstützen. Khans Geschwister sind alle mit dem Vater in den USA um dort eine Ausbildung zu machen. Nur Khan und seine Mutter sind noch in Sierra Leone. Khan, weil er das Leben dort liebt. Seine Mutter wohnt im Landesinneren um dort für die Großeltern zu sorgen. Daddy bezahlt die Miete für den Bungalow und gibt noch ordentlich Taschengeld, ach und das Studium bezahlt er auch. So ein Schmarotzer, könnte man denken. Ja, ihm gehts ganz gut für Salone Verhältnisse. Aber er gibt auch weiter. Seine drei Freunde Fouday, Morrison und Designer
haben weder Job noch Geld und er lässt sie bei sich wohnen und sorgt dafür, dass jeden Tag was zu Essen da ist. Er hat mir mal gesagt: Weißt du, wenn man ein bisschen was hat, dann gibt man das weiter. An Menschen die nichts haben. Irgendwann kommt vielleicht mal die Zeit, da haben deine Freunde mehr als du und dir gehts nicht gut. Dann werden sie dir helfen. Ich habe mehr als genug, warum sollte ich sie nicht unterstützen. Also der Khan, der hat ein gutes Herz. Ein bisschen versteckt auf den ersten Blick, aber es ist da. Khan und ich sind oft auf das Dach seines Bungalows geklettert, Musikbox dabei, er seine Tütchen und ich ne Flasche Wein. Und dann haben wir den Ausblick auf die Stadt unter uns und den fernen Blick aufs Meer genossen. Haben der Sonne beim Untergehen zugesehen und bis tief in die Nacht geredet oder einfach nur Musik gehört. Manchmal hatten wir die Gesellschaft von Sarah und den anderen Jungs. Wir haben auf diesem Dach wirklich lustige Stunden verbracht.
Meine Nachbarjungs sind mir wirklich ans Herz gewachsen. Am Tag meiner Abreise haben sie mich, zusammen mit Sarah, zum Flughafen gebracht. Auf der Fähre hat plötzlich ein Junge nach mir gerufen. Sheriff, 12 Jahre alt. Einer meiner Straßenjungs. Schon beim ersten Blick habe ich gesehen, dass er wieder von der Familie abgehauen ist und auf der Straße lebt. Wir haben uns ein bisschen unterhalten und ich habe ihn Khan vorgestellt. Der hat direkt zu ihm gesagt: "Hey, du weisst doch wo Tante Becky gewohnt hat. Ich wohne direkt daneben, mein Name ist Khan. Wenn du Hilfe brauchst oder weg von der Straße willst, dann kannst du jeder Zeit zu mir kommen, ich werde dir helfen." Tja, so ist er, mein Kifferfreund Khan. In ihm steckt echt ein guter Kerl, auch wenn er das nicht gerne zugibt.
Was ich von diesem kiffenden Partykönig gelernt habe? Entschleunigung. Mal die Beine lang strecken und einfach nur rumsitzen. Das Leben nie zu ernst zu nehmen und es zu geniessen. Egal wie kacke die Lage gerade ist. Nimm mal nen Gang raus. Verringere das Tempo und setz dich irgendwo hin und seh der Sonne beim Untergehen zu. Wo soll der Sinn sein, durch's Leben zu hetzen. Eine Pause ab und zu, das ist absolut erlaubt. Manchmal muss man einfach nur chillen.
Danke Khan, für tolle Stunden, für deine Begleitungen bei meinen Einkäufen (hab viel Geld gespart durch deine Tipps), für ganz viel Spaß und deinen Rat manchmal im ersten Gang zu fahren.