Namibia

Tura-News - Babylon 5

Dieser Post fällt mir schwerer als all die anderen. Aber ich habe euch einen Bericht und Bilder versprochen und das halte ich auch ein. Dazu kommt, wenn ich schreibe, dann schreibe ich mir vieles von der Seele und mir gehts besser.
Das ist auch der Grund warum ich all meine Freunde in Deutschland an manchen Tagen mit Whatsapp Nachrichten zu-mülle. Wenn's mal zuviel wird, ignoriert es einfach.

Wo fange ich an. Schwierig. Vorne weg erstmal, ich kenne Katutura mittlerweile besser als all meine Kollegen und Freunde hier. Ich treibe mich in Gebieten rum, da waren die Alle noch nie. Viele waren überhaupt noch gar nie in Katutura und haben mich gebeten eine Tour mit ihnen zu machen...Hä? Wie geht das denn? Hier geboren und noch nie da gewesen? Vielleicht, wenn man hier aufwächst, dann ist das halt das "arme, schwarze" Viertel, da geht man nicht hin. Man weiss, dass es diesen Stadtteil gibt, aber mehr auch nicht. Ich stell mir das schwierig vor, immerhin macht Tura 2/3 der Stadt aus. Aber gut, ich bin seit 3 Monaten hier und führe nun nicht nur deutsche Touris durchs Ghetto sondern auch meine namibischen Kollegen. Wenn es irgendwo Fragen zu der Gegend gibt, dann heisst es: geh und frag Rebecca. Nicht mal meine schwarzen Kollegen kennen sich so gut aus, bzw. habe ich mir heute anhören müssen ob ich wahnsinnig bin dahin zu gehen, würden sie niemals tun. Irgendwie schräg. Weil so schlimm ist es nämlich wirklich nicht. Wenn man einen schwarzen, großen Mann als Begleiter hat, bei Tageslicht hingeht und auch noch Geschenke mit bringt.
Warum ich euch das erzähle? Ich will euch damit sagen, ich kenne mein Township. Ich sehe viel, ich rieche viel, ich war in vielen Shacks, ich habe Freunde dort, ich esse dort, ich kaufe mein Fleischgewürz dort, ich kaufe Dinge für den täglichen Bedarf dort, ich fahre dort oft Taxi (also selbst) und kenne meine Hometown. Somit dachte ich eigentlich, ich bin vorbereitet. Soweit man halt vorbereitet sein kann. Und ich war es bis gestern um 7, dann hat es mich weggefegt. Komplett.
Erick und ich hatten den Plan, dass wir am Mittwoch mit dem Verteilen anfangen, im kleinen Rahmen. Wir gehen zu meiner "Fatcake-Mom", die ist mir ans Herz gewachsen und ihr Baby braucht was zum anziehen. Dann gehen wir zu der "Kuhkopf-Mom" mit ihren Twins, die hat zwei Babys, braucht also erst recht Hilfe. Bei beiden war ich schon und kenne die Verhältnisse. Schlimm, aber noch im hier üblichen Rahmen. (Wie hört sich das denn an? Stumpfe ich ab???). Ich vergebe übrigens Spitznamen, damit Erick weiß wo ich hin will, denn die vielen Namen kann ich mir nicht merken. 
Also, am Dienstag Abend die Pakete gepackt und ich sehe wie Erick eine Kiste packt mit Kleidung für ältere Kids und Frauenklamotten. Ich frage ihn und er fängt an mich echt zu stressen. Wir müssen zu Sofia! Sie braucht uns am meisten von allen. Die ist sooo arm. Ich denke mir, ja, ich weiss, das sind sie alle. Meine Güte, mach nicht so ein Drama. Aber ich helfe ihm Kleidung für zwei Jungs, ein Mädchen und die Mutter zu richten und ich bin gespannt sie kennenzulernen.
Nachdem wir bei Fatcake-Mom und Kuhkopf-Mom fertig sind (da habe ich ungefähr 20x gehört: Gott schütze dich...mir passiert also die nächsten Jahre nichts) geht es auf in den Tura-Teil Babylon, Okuryangava. 
Katutura hat unterschiedliche Stadtteile, da gibt es Wanaheda, Otjomuise, etc., da sind die Lebensumstände ok, es gibt zum großen Teil auch richtige kleine Häuser, nicht nur Blechhütten. Dann kommt man weiter nach Goreangab, Hakahana, hier wirds langsam kritisch. Und die allerschlimmsten Gebiete sind Havana, Babylon und Okuryangava.
Und da wohnt Sofia. Und Jackie (8-10), Isaac (6-8) und Godges (5-6). Ich kann unmöglich die Geschichten aller Menschen erzählen die ich hier kennen- und lieben lerne, aber ein paar ausgewählte werde ich euch weitergeben. Die Geschichte von Sofia hat mich so berührt. Ihr Leben hat mich so berührt, Erick ist nach unserem Zusammentreffen noch 1 1/2 Stunden mit mir Taxi gefahren um sicher zu sein, dass es mir gut geht. Er hat mich gestern zum ersten Mal richtig weinen gesehen, darauf war er nicht vorbereitet. Aber ich ehrlich gesagt auch nicht. Da denkt man wirklich, man hat Alles gesehen und es kann nicht schlimmer kommen. Aber langsam lehrt mich Afrika, schlimmer geht immer...Leider.
Wir sind in Okuryangava, hat lange gedauert bis ich das richtig aussprechen konnte :-) 
Verlassen die "Straße", Schotterpiste trifft es eher, und fahren bergab ins Flussbett wo sich Hütte an Hütte reiht. 

Wir halten vor einer Blechhütte und Erick düst direkt rein. Ich steige aus, nehme meinen ersten Atemzug, dummerweise durch die Nase. Himmel, es stinkt widerwärtig. Abartig. Nach verfault, nach Dreck, nach menschlichen und animalischen Hinterlassenschaften. Gut, ab jetzt nur noch durch Mund atmen.
Ich schnappe mir alle Tüten und wage mich Richtung Hütte vor, Erick zieht mich rein und erstmal kann ich gar nix sagen und kucke einfach nur. Es dauert eine Weile bis meine Augen überhaupt etwas wahrnehmen. Denn in der Hütte ist es düster. Es gibt ja keine Fenster und es gibt auch weder Strom, also Licht und auch kein Wasser. Als ich anfange richtig zu sehen, ach herrje, Tränen schlucken. Ich habe schon soviel gesehn und erlebt. Aber mit sowas habe ich nicht gerechnet. Die Wände rostig, dreckig, aber gut, geht noch. Der Boden ist platt getretene Erde, die aber vor lauter Dreck gar nicht mehr nach Erde aussieht. Es stinkt fürchterlich. Der Tisch und die Stühle sind alte Wasserkanister, ehemals weiss, jetzt schmierig und dreckig. Sofia bietet mir einen "Stuhl" an, ich setze mich und denke, ach was solls, es gibt Waschmittel. Die Couch wäre nicht besser gewesen, die fällt auseinander und steht vor Dreck. Der gesamte Raum ist vielleicht 15qm gross, in der Mitte hängen alte Lumpen von der Decke, Trennwand zum Schlafzimmer. Das Schlafzimmer besteht aus einem Bett, allerhöchstens 140cm breit. Da schlafen Sofia, Jackie, Isaac, Godges. Zu viert in einem Bett, das in DE für ein Ehepaar zu klein ist. Es ist so furchtbar dreckig. In Deutschland würde man Hunde aus einer Hundehütte holen die so hausen. Tierschutzbund anrufen. Kann ich hier den Menschenschutzbund anrufen? Die Kids freuen sich. Es wird alles direkt anprobiert. Godges flippt aus, eine eigene, neue, pinkfarbene Zahnbürste. Eine Puppe und ein Rucksack. Alles in Pink.
Isaac freut sich auch. Er bekommt Schuhe und ein Sweatshirt und ein Spielzeug. Ich nehme an Jackie freut sich auch. Er verzieht keine Miene. Und spricht nicht. Obwohl er auch nicht traurig aussieht, er strahlt irgendwas trauriges aus. So eine ganz tiefe, von Innen kommende Traurigkeit. Später frage ich Erick was mit ihm los ist. Er erklärt mir, alles gut, das Einzige ist, er wird älter. Fängt an nachzudenken, nimmt wahr wo und wie er lebt. Versucht seinen Platz im Leben zu finden, ist sehr introvertiert und nachdenklich. 
Wir verteilen alles, machen ein paar Fotos, da kommen dann noch ein paar Nachbarkinder dazu. Ich will schon zum Auto und Zeug holen, da bremst mich Erick. Nein, nicht für die, die haben genug Geld, es gibt Ärmere. Da merken wir beide, wir brauchen hier ein paar Regeln. Wenn Erick sagt, No, let's go, dann heisst das für mich, umdrehen, einsteigen, losfahren. Entweder wirds dann gefährlich oder wir haben Menschen vor uns, die Spenden sammeln und dann verkaufen um sich Alkohol zu kaufen. Also, ich muss Erick versprechen, er ist der Boss, und dieses Mal brauch ich gar nicht anfangen zu diskutieren. Ich verspreche es. Es geht um die Menschen, die sich wirklich gar nichts leisten können, das weiss er besser. 
Zurück zu Sofia und den Kids. Wir unterhalten uns eine Weile, ich verspreche ich komme am Samstag wieder, bringe passende Schuhe und T-Shirts für Isaac (er hat keine Shirts) und schaue mir die Schulhefte der Kids an, darauf sind sie alle stolz.
Wir steigen ins Auto und fahren los. Schon nach einer Minute gehts los. Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Erick schaut mich verwundert an. Und ich flenne einfach so vor mich hin. Als ich mich wieder beruhigt habe, frage ich ihn woher er Sofia kennt, denn das ist eigentlich kein Wohngebiet in dem er zuhause ist.
Und er erzählt mir Sofias Geschichte:
Monatsende und die Leute hier haben kein Geld mehr. Ist bei allen so, Vorausdenken eher schwierig. Heisst für Erick, er verdient um die Zeit wenig, keiner hat Kohle für ein Taxi. Mit seinem letzten Geld macht er sich auf den Weg und will sich was zu Essen kaufen. Da trifft er auf der Strasse Sofia. Beim Betteln. Und ihre drei Kinder. Sie ist verzweifelt. Und zwar so verzweifelt, dass sie sich das Leben nehmen will. Erick hat ein riesengroßes Herz. Er nimmt seine letzten Dollar und kauft Essen für Sofia's Familie. Und von da an lässt ihn diese Familie nicht mehr los. Man kann sagen, er hat diese kleine Familie gerettet. Denn er sorgt dafür, dass sie in einem Shack unterkommen, weg von der Straße. Es ist ein altes, verrottetes Shack, aber es ist ein Dach überm Kopf. Er zwingt Sofia mit dem Trinken aufzuhören indem er sie vor die Wahl stellt, ich helfe dir und deinen Kids, aber du rührst nie mehr Alkohol an. Da ist er sehr streng, er hasst Alkohol und Drogen. Sofia verspricht es und sie hält bis heute durch. Weder Sofia noch die Kinder haben eine Geburtsurkunde oder einen Ausweis. Erick nimmt sie mit zum Amt. Ausweise haben sie noch nicht, aber Geburtsurkunden. Da steht, dass Jackie 10 Jahre alt ist, Isaac 8 und Godges 6. Ob das stimmt, das weiß keiner. Erick geht wieder zum Amt, Schulamt, er sorgt dafür, dass die drei Kids Unterstützung bekommen und zur Schule gehen können. Das tun sie nun auch seit ein paar Monaten. Es wird langsam. Sie leben immer noch unter miesesten Bedingungen, aber sie haben wieder Hoffnung. Das sind drei so liebe Kids, nicht frech, nicht vorlaut, nicht gierig. Sie geben sich in der Schule Mühe. Erick hat ihnen gesagt, wenn sie sich anstrengen und kämpfen, dann kann aus ihnen was werden. Er selbst ist ein Straßenkind und weiß, es geht. Sie glauben ihm und geben ihr Bestes.
Ach herrje, das Alles geht mir echt nah und Sofia und ihre Kids und vor allem ihre Lebensumstände, ja die haben mir die Tränen aus den Augen gedrückt. Aber mittlerweile geht es wieder. Solche Bilder werde ich in den nächsten Wochen ständig im Kopf haben.
Wie ich damit klar komme, weiß ich noch nicht. Aber ich werde es auf jeden Fall durchziehen. Ich mache mir selbst Hoffnung. Es wird besser. Die Regierung ist nun zumindest dabei Wasserleitungen in die armen Gebiete zu verlegen. Und es werden gerade Oberleitungen verlegt um Strom dahin zu bringen. Zumindest für Lampen. Denn in der Nacht ist es dort stockdunkel. Und die Toilette ist der Busch. Die Vergewaltigungsrate in den Krisengebieten ist also recht hoch. Wenn die Frauen bei Nacht im Dunkeln in den Busch müssen, wen wundert´s wenn sie dann von den betrunkenen Männern angegriffen werden. Ich hatte bisher das große Glück, ich habe dort nur absolut liebenswerte Menschen getroffen, dankbar für jede Hilfe. Aber ich weiß, es gibt andere. Und leider sind hier auch noch viel zu viele Männer der Meinung, die Frau steht unter ihm und hat gefälligst Respekt zu haben. Da gibts dann auch schon mal Prügel. Oder schlimmeres. 
Manchmal da frage ich mich, warum tu ich mir das an. Ich könnte hier ein unbeschwertes Leben haben. Meine Schwester habe ich das mal gefragt, warum nur begebe ich mich immer wieder ins Elend. Sie hat geantwortet: Weil du du bist.
Ja, hat sie vielleicht recht. Aber zum Glück sind das ja immer nur Momente, es zieht mich manchmal runter. Kurz. Dann bin ich traurig. Und dann werde ich wütend. Auf die Ungerechtigkeit und das Leben. Und dann geht´s wieder. Ich beruhige mich wieder. Und dann sehe ich die glücklichen Gesichter der Kids vor mir. Und dann geht es mir wieder richtig gut. Ich denke mir oft, es könnte genauso gut. meine Familie sein die so lebt wie Sofia. Durch eine glückliche Fügung wurde ich in stabile Verhältnisse geboren. Aber es hätte ja auch anders kommen können. Vielleicht versuche ich deshalb zu helfen. Weil, es hätte uns alle treffen können und wie sehr hätten wir uns gefreut, wenn uns jemand Starthilfe gegeben hätte. Wir haben soviel, wenn jeder ein bisschen hilft, dann ist das eine riesengroße Hilfe für diejenigen die gar nichts haben.

Sofia hat gestern zu mir gesagt: "Wenn du schwarz bist und arm, dann hört niemand deine Stimme." Hab sie in den Arm genommen und ihr versprochen:"doch Sofia, ich. Ich höre deine Stimme." Und ganz viele Leute in Deutschland, die hören sie nun auch. 
Taxi Stories – Co-Pilot für einen Abend

Mein Sonntag fängt toll an. Erick macht sich 2 Stunden frei und wir gehen ins Craft Center. Solltet ihr jemals in Windhoek sein, im Craft Center gibt es den besten, warmen Apple-Crumble mit Vanille Eis.
Zuerst teilen wir uns einen Chicken-Wrap mit Salat (Salat für mich, Chicken für Erick) und danach den besten Apple-Crumble der Welt.
Noch kurz einkaufen, Zeug nach Hause bringen, 2 Touris abholen, ein paar Tüten mit Spendenklamotten und Spielzeug packen und auf gehts nach Tura.
Heute nur kurz, wir besuchen “nur” ein paar Familien die wir kennen und bringen das Nötigste an Winterkleidung. Die Touris noch durch ein paar Shacks und die schlechten Wohnbedingungen führen und ab nach Hause. Habe Erick versprochen, ich koche heute für uns. Frikadellen, grüne Bohnen und Kartoffelbrei. Total Deutsch.
Wir geniessen ein leckeres Abendessen und während ich schon im Bett liege und chille, sortiert Erick Klamotten. Wie immer geht ein großes Paket nach Katima Mulilo im Norden, unsere Freunde dort vergessen wir nie.
Um kurz vor 10 jagt er mich aus dem Bett und sagt, wir müssen noch Kunden abholen, los gehts. Na bravo, mal wieder im Pyjama ins Taxi und noch eine Runde drehen.
Wir holen ein Pärchen vom Kino ab, bringen zuerst das Mädel nach Hause und auf dem Weg zu seinem Zuhause beginnt der schrecklichste Abend den ich hier je hatte.
Wir überqueren die Grenze zu Katutura und fahren eben an einem Friedhof vorbei, als Erick eine Vollbremsung und einen U-Turn vom Feinsten hinlegt. Er schreit mich an: “Ruf die Polizei, ruf die Ambulanz. Sofort!” Ich schnalle überhaupt nicht was jetzt los ist, aber ich spüre sofort, wenn er so nervös und aufgeregt ist, dann geht da grad was Schlimmes vor sich. Während ich aufgeregt die Notruf Nummer wähle, halten wir vorm Friedhofstor. Und jetzt sehe ich es auch. Da liegt eine Frau. Die Schuhe liegen ein paar Meter neben ihr, ihr Kleidung sitzt nicht da wo sie sein sollte. Sie ist entweder tot oder bewusstlos. Und jetzt wird meine Erinnerung irgendwie schwammig und ich verliere auch das Zeitgefühl. Mein erster Reflex ist, aus dem Auto springen und zu der Frau gehn, schauen ob sie noch lebt, Hilfe braucht. Erick hat aber die Türen schon längst verriegelt und lässt mich nicht aussteigen, auch der Fahrgast auf der Rückbank versichert mir jetzt: “das ist absolut unmöglich!” Ich kann hier nicht das Auto verlassen. Es könnte eine Falle sein oder die Typen die der Frau was angetan haben, könnten noch irgendwo sein. Ich kann bitten und betteln, sie lassen mich nicht aus dem Auto. Nachdem alles vorüber ist, werde ich Erick dafür sehr dankbar sein. In dem Moment dreh ich fast durch. Da liegt eine Frau und ich kann ihr nicht helfen. Das ist ein richtiges Scheiss-Gefühl!
Nachdem ich gefühlte 10x weiter verbunden wurde, habe ich endlich die City Police am Ohr und sie versprechen gleich zu kommen, ebenso die Ambulanz.
Der Gast auf der Rückbank redet gar nicht mehr, steht wahrscheinlich unter Schock. Ich auch, aber bei mir äussert sich das zu der Zeit mit totalem Ausrasten. Erick und ich brüllen uns an.
Wir fahren ständig an der Strasse auf und ab, mit dem Auto hier stehenbleiben ist zu gefährlich. Immer an der Frau vorbei. Können nicht erkennen ob sie noch atmet und sind beide der Meinung, da bewegt sich nichts, die ist bestimmt tot. Gefühlt sind wir 4 Stunden vor der Frau hin und her gefahren, in Echtzeit schätze ich mal so 30 Minuten. Endlich kommt die Ambulanz. In Gemütsruhe steigen sie aus, kucken sich die Frau an, gehen zurück zum Krankenwagen, ziehen sich Handschuhe über, bis sie endlich mal den Puls fühlen und uns zurufen, “she’s alive!”. Gott sei Dank! Wobei, ich weiß nicht, was sie durchgemacht hat und vielleicht wäre sie lieber tot. Sie geben der Frau ein paar Klapse auf die Wangen und sie kommt irgendwann wieder zu Bewusstsein. Und fängt direkt an zu schreien. Sie ruft nach ihrer Mama. Immer wieder.
Wir werden noch kurz von der Polizei verhört und dürfen dann weiterfahren. Wir haben ja niemanden gesehen. Leider. Wieder Täter, die ein Opfer zurücklassen und nicht dafür bestraft werden.
Wir bringen unseren Fahrgast nach Hause und dann darf auch ich nach Hause.
Eigentlich will ich gar nicht. Denn ich habe Angst. Zum ersten Mal seit ich hier bin, habe ich richtig Angst.
Ich weiß von all den Überfällen und Vergewaltigungen hier im Land. Aber zum ersten Mal Zeuge zu sein, das ist was ganz anderes!
Es wird real. Und es wird einem bewusst, das kann ganz schnell gehen und dann liegst vielleicht du da. Und es wird keiner anhalten und dir helfen. Weil jeder Angst hat das nächste Opfer zu sein.
Das Ergebnis dieses Abenads?
Ich wage mich noch weniger allein auf die Straße, im Dunkeln schon gar nicht.
Ich kontrolliere unser Gate zuhause jeden Abend 3x.
Ich schlafe schlecht, immer wenn ich die Augen schließe sehe ich diese junge Frau vor mir. Der Anblick hat sich in mein Gehirn, meine Gedanken gebrannt. Komischerweise erinnere ich mich am besten an ihre Schuhe. Braune Sandalen mit Kork Absatz. Und ich sehe ständig diese Schuhe auf der Straße liegen.
Ich weiß, das wird nachlassen und die Erinnerung verblassen, ich werde das verarbeiten und irgendwann auch wieder besser schlafen. Das dauert vielleicht noch ein Weilchen. Aber wird schon wieder.
Und ich habe Erick. Er ruft mich täglich ein paar Mal an und fragt wie es mir geht und lenkt mich ab.
Er ist der Meinung, das war nicht so schlimm. Er hat schon weitaus Schlimmeres gesehn. Für mich aber, war das sehr schlimm.
Ich wollte direkt meine Mama anrufen und mich ausheulen. Erick hat mich abgehalten: “Was denkst du, was du erreichst, wenn du Nachts um 23:30 deine Mutter anrufst und ihr was vorheulst? Sie kann dir nicht helfen und macht sich nur Sorgen.”
Ja, da hatte er recht, ich weiß, aber ich hatte halt Heimweh.
Nach dem sicheren, sauberen, soliden, ordentlichen, klitzekleinen Örtchen Forbach,
wo du Nachts deine Haustür offen stehen lassen kannst ohne das irgendwas passiert.

Fazit:
Ich glaube, man kann noch so alt sein, wenn etwas echt Schlimmes passiert, dann will man auch mit 40 noch sofort seine Mama anrufen.
Oder besser noch, sich einmal von ihr ganz fest drücken lassen.

PS: Mir geht es gut, macht euch keine Sorgen. Und sollte ich tatsächlich mal zu leichtsinnig sein, dann habe ich stets einen Aufpasser namens Erick an meiner Seite :-)
Living in Africa – Fleisch ist mein Gemüse

Früher oder später musste das Thema aufkommen. Keine Ahnung warum es so lange gedauert hat. Heute aber gab es einen speziellen Anlass, ich kann das Thema nicht mehr länger ignorieren.
Fleisch ist präsent. Immer. Irgendwie dreht sich hier Alles immer um Fleisch. Es wird immer irgendwo gebraait (gegrillt), es gibt immer irgendwo Zebra im Angebot, ständig wird über Fleisch gesprochen.
Das Alles, das ist für mich durchaus ertragbar. Meine Schwester hat früher immer behauptet, ich könnte niemals Vegetarier werden, ich bin ein Fleischfresser. Tja, Jessi, wenn du dich da mal nicht täuschst, die kriegen mich hier noch dazu.
Wie es dazu gekommen ist, dass ich so gut wie kein Fleisch mehr esse?
Fangen wir morgens an. Mein Shuttle kommt mich um 7:15 abholen. In meinem wunderbaren Wohngebiet wo es immer gut riecht. Wir fahren 5-10 Minuten und sind mitten drin. In Katutura (macht 2/3 von Windhoek aus, somit ist man eigentlich immer in der Nähe von Katutura, mal tiefer, mal ärmer, mal schöner, mal hässlicher) holen wir all meine anderen Kolleginnen/Kollegen ab, mittlerweile 10 Personen.
Das bedeutet, wir sind ziemlich lange im Township unterwegs, denn die wohnen natürlich alle querbeet, von richtigen Häusern bis ins tiefste Havanah, alles dabei.
An den Anblick habe ich mich längst gewöhnt und das erschüttert mich nicht mehr.
Was mich aber wirklich, wirklich umhaut ist der Geruch. Nein, Gestank. Ich glaube nicht, dass meine Kollegen das genauso empfinden, die sind das gewohnt. Ich wünschte es gäbe „Geruchs-Schreiben“. Schliesst die Augen und stellt euch vor, ihr fahrt 30 Minuten lang durch folgende Geschehen:
Die Sonne geht um 6 Uhr auf, um 7 Uhr brennt sie teilweise schon unbarmherzig. Wir fahren auf der Straße (meistens Teer aber manchmal auch Schotter) und am Straßenrand stehen sie, die Schlachter, die Griller, die Fleischzerhacksler, die Fleischverkäufer, die Fleischräucherer. Dicht an dicht, kilometerlang. Zuerst die Schlachter, die sind um 7:30 Uhr schon fertig mit ihrer Arbeit, das Fleisch liegt auf Holzpaletten in der Sonne, von Fliegen umzingelt. Das riecht, nach Blut, nach Fleisch, nach Schlachten, nach Tod. Daneben die Häcksler, die zerhacken mit ihren Fleischsägen alles in kleine Stücke, noch mehr Gestank. Dann die Griller, ja tatsächlich wird um diese Zeit schon der Grill angeschmissen. Es riecht nach Rauch, nach gegrilltem Fleisch. Und nun die Räucherer, fleissig am Fleisch räuchern, trocknen, auch das riecht. Und am Ende der Schlange die Verkäufer. Da gibt’s dann das volle Paket, roh, geräuchert, gegrillt. Und jetzt vermischt im Kopf all diese Gerüche. Das gibt einen ganz fürchterlichen, unangenehmen, ekligen Geruchs-Mix. Morgens. 7:30 in Katutura. Unsere Putzfrau Viki wohnt in Havanah, da wohnen die Ärmsten. Gefährliches Gebiet, höchste Kriminalitätsrate. Sie steigt (Gott sei Dank) als Letzte ein. Und sie bringt sich immer ihr frisch gekauftes Frühstück mit. In Zeitungspapier notdürftig eingewickelt. Mal ist das Fleisch, mal ist das Fisch.
Morgens. 7:30 in Katutura. Dass ich sie noch nicht angekotzt habe, liegt allein daran, dass ich sie so lieb habe.
Viki ist die Königin des Fleisches. Sie liebt Fleisch, mehr als alle Anderen. Zum Frühstück gibt es eine ganz merkwürdige, pinkfarbene dicke Scheibe Wurst. Zwischendurch wird Biltong gekaut. Zum Lunch gibt’s wieder Fleisch. Und das war heute der Auslöser für diese Geschichte. Heute hat sie mich beim Lunch umgehauen. Öffnet ihre Plastikdose und nuckelt an fürchterlich, ekelhaftem grauen Schlabber Zeug rum. Mein Lunch macht sich schon auf den Rückweg und sie erklärt lächelnd: „i love it.“ Sie zieht sich echt vor meinen Augen nen Kuhmagen rein. Das war so eklig, ich musste mich echt zusammenreissen um nicht davon zu rennen. 
Vor kurzem hat meine liebe Kollegin Charne (nachdem ich sie penetrant täglich genervt habe) mir Mittagessen mitgebracht. Sie war beim Pizza Service und hat für uns beide eine Pizza geholt. Das hatte nur mit Pizza herzlich wenig zu tun. Äusserlich sah es aus wie Calzone. Als ich reingebissen habe, hab ich gedacht, ich beiss in eine Fleischtheke beim Metzger. Fünf!!! verschiedene Sorten Fleisch/Wurst: Hackfleisch, Speck, Hühnchen, komische Wurst, Fleisch.
Geht’s noch? Muss ich erwähnen, dass es mir nicht geschmeckt hat? Charne war enttäuscht, ich geknickt, aber beim besten Willen, das hab ich nicht runter gekriegt. Sie hat es noch einmal versucht, da war nur Speck, Hühnchen und Zwiebel drauf, die hab ich gegessen.
Also ihr seht, es geht hier nichts ohne Fleisch. Ich lade Erick zum Fish Curry ein, er fragt: Und wo ist das Fleisch?
Ich teile meinen Lunch mit Viki, Käsebrot und Banane, sie fragt: Wo ist das Fleisch?
Es passiert hier nichts ohne die richtige Portion Fleisch pro Tag. Ich bin geheilt. Durch den Gestank durch den ich zweimal täglich fahre, ist mir mein Fleischhunger gehörig vergangen.
Es gibt drei Ausnahmen:
- Unser Tourguide Flori braait für uns. Da ess ich sogar Fleisch, das noch halb roh ist (jetzt kuckst du, gell Mama!)
- Das Pepper Steak bei Joe´s (dafür lasse ich alles stehen und liegen)
- Kabana. Ja, ja, meine weißen Landsmänner höre ich jetzt schreien, so lange es noch richtiges Fleisch gibt, niemals. Ja, es mag auf den ersten Blick (auch auf den zweiten) eklig aussehen, Fleisch das stundenlang, von Fliegen umschwärmt, rumliegt bevor es gegrillt wird. Aber es schmeckt echt gut, ehrlich!

Fazit 1: Namibia als Vegetarier, möglich, aber passt irgendwie nicht
Fazit 2: Bei Erick gehört Fleisch ins Fischcurry (übrigens das einzige fleischlose Essen das er akzeptiert und tonnenweise verschlingt sind Käsespätzle, ohne Salat, zu gesund)
Fazit 3: Katutura braucht dringend nen Lufterfrischer
Fazit 4: Ich habe noch nirgends so gutes Fleisch gegessen wie hier
Fazit 5: Ich werde doch kein Vegetarier und meine Schwester hat mal wieder recht!
Fazit 6: Nirgends auf der Welt ist der Spruch "Fleisch ist mein Gemüse" zutreffender als in Namibia! 
Schwarz-Weiße Gespräche

An manchen Abenden liege ich schon im Bett und bin am einschlafen, bis plötzlich mein Handy klingelt. Wer wird das schon sein. Meine schwarze bessere Hälfte.
So auch gestern Abend. Ich war so müde, Montag, normal. Liege im Bett und lese noch im neuen Adler-Olsen (für mich neu, keine Ahnung wie lange es den schon gibt) und Erick ruft an. "Ich bin da, komm raus." Und wieder aufgelegt. Ich weiß wie das endet. Ich komme wieder nicht früh ins Bett. Ich also im Schlaf-Outfit raus vor die Mauer, ins Taxi, Sitz in Liegeposition, Erick liegt schon da, das machen wir so 2-3 x die Woche. Chillen uns ins Taxi und quatschen. Manchmal sind wir schon so eingeschlafen...
Er ist müde, ich auch, eigentlich wollte ich nicht mehr raus, er hat mich gelockt mit: 
"Ich muss dir doch erzählen wie es bei der Polizei heute war." Ah stimmt, ja das will ich wissen! Und wie war's? Nichts war. Die Dame ist nicht erschienen, aber Erick hat es geschafft mich ausm Bett zu kriegen.
Erick passt in den letzten Wochen auf mich auf wie auf eine Porzellanfigur. Bloss nichts zu nah an mich rankommen lassen. Seit er mich weinen gesehn hat, will er mir nicht zuviel zumuten. Er glaubt mir nicht, dass ich mehr aushalte, als es vielleicht manchmal den Anschein hat. Und ausserdem heult doch wohl jeder mal oder? Das ist ja auch eine Art Stress-Abbau.
Das ist unser Thema heute. Weinen. Wenn mir etwas nahe geht, dann sieht er das noch relativ locker. Thats normal, thats Africa. Er ist halt leider schon etwas abgestumpfter als ich. Oder vielleicht besser so, sonst könnte er das alles nicht seit so vielen Jahren aushalten. Ich frage ihn: "Weinst du auch manchmal?" Er antwortet: "Klar, hab schon oft geweint?" "Und wann und warum das letzte Mal?" Und dann erzählt er mir vom letzten Mal als er Tränen vergossen hat. Und während er erzählt, da kommen mir heimlich die Tränen.
Ende letzten Jahres hatte eine Tour mit Touristen durch Katutura als sein Handy geklingelt hat. Eine Frau hat ihn panisch angerufen und ihn um Hilfe gebeten. 
Als Erick zu der genannten Hütte kommt (die Touristen immer noch im Schlepptau), steigt gerade ein Mann von einer Frau. Erick kennt die Frau. Sie ist schwer behindert, sitzt im Rollstuhl, kann nicht sprechen und nicht hören. Sie konnte nicht um Hilfe rufen. Zufällig kam eine Nachbarin bei ihr in der Hütte vorbei und hat sofort Erick angerufen weil sie selber Angst hatte, dass der Mann auch auf sie losgeht. Tja, also wie soll man denn bitte mit sowas umgehen. Erick muss beim erzählen noch schlucken. "Weisst du, diese Frau hat mir so furchtbar leid getan. Behindert, unschuldig, hilflos, und wird von einem Mann vergewaltigt. Sie kann sich nicht wehren und muss hinnehmen was passiert." Oh. Mein. Gott. Erick schluckt und erzählt weiter. Er was so wütend, dass er auf den Mann los ist. Ihm die Nase gebrochen hat. Als die Polizei eintrifft und ihn abhalten will, weil Selbstjustiz ungesetzlich ist und der Täter schon am Boden liegt, da tritt er nochmal ein paar mal kräftig zu. Solange bis sie ihn weggezerrt haben. Aber alle haben ihn erst eine Weile diesen Arsch verprügeln lassen, vielleicht weil sie selber gerne zugeschlagen hätten.
"Ja," sagt er, "manchmal, da weine ich auch. An diesem Tag habe ich geweint, weil ich so mit dieser Frau gefühlt habe. Weil ich so wütend war, wie kann man denn auf eine hilflose Frau losgehen." Tja, Erick, das weiß ich nicht. Ich verstehe so vieles nicht. 
Es gibt unzählige Vergewaltigungen in Katutura. Frauen die kurz aufs Klo in den Busch müssen, bei Tag, bei Nacht und dann vergewaltigt wieder zurückkommen. Und wenn dann doch mal einer erwischt wird, dann kommt er nach kurzer Zeit wieder ausm Knast oder er zahlt einfach nur 3000 Dollar. Oder geht für 6 Monate nach Ovamboland und dann ist der Fall geschlossen. Tja, so sehr ich dieses Land liebe, so sehr hasse ich es auch. Hass-Liebe. Die Gesetze, die Strafen, alles viel zu lasch. Die Kriminalität wächst hier so schnell.
Die Schlagzeile vom Namibian heute morgen war:


Ist das zu fassen? Im letzten Jahr gab es 7335 illegale Abtreibungen?! Bei den vielen Vergewaltigungen ist das fast verständlich. Aber viele Frauen sterben dabei, es werden Giftgemische in irgendwelchen Hütten verteilt, die Babys sterben zwar im Bauch, werden aber nicht entfernt. Die Frauen vergiften sich selbst. Es werden Föten am Strassenrand gefunden von spielenden Kindern. Ach, ich kann gar nicht alles aufzählen. 
Ihr müsst mittlerweile ja schon denken, ich lebe in einem Horror-Film. Manchmal kommt mir das auch so vor. 

Aber wenn Erick und ich down sind, oder unser Tag kacke war, oder wir mal wieder nen kräftigen Hug brauchen, dann fahren wir zum Hope Village, eines der grössten Waisenhäuser, machen das Gate auf und in der nächsten Sekunde kleben unzählige Kinder an uns. Umarmen uns, küssen uns. Das sind unsere Super-Glue Kids. Super-Kleber Kids. Die kriegst du nicht mehr los. Und wenn wir uns dann gegenüber stehen, jeder mit zig Kids am Leib, dann sehen wir uns an und fangen an zu lachen. Laut, heftig, wir können manchmal kaum mehr aufhören. Das ist unsere Art damit fertig zu werden. Wir holen uns unsere guten Gefühlen und unseren good mood von den Kids. Und dann lachen wir uns zusammen mit ihnen alles von der Seele. Und das tut einfach nur gut. Wenn ihr down seid, dann gibt's was, das hilft immer. Verbringt Zeit mit Kindern. Spielen mit ihnen, am letzten Sonntag haben wir zusammen gebastelt. Wenn sie euch anlachen, an euch rumklettern, euch die Haare zerwühlen, euch tausend Fragen stellen und euch hundert mal sagen, dass sie euch lieben, dann geht es euch mit einem Schlag wieder SOOOOO gut!
Living in Africa - Besuch im Shack Teil II

Meine liebe Kollegin Alwina hat uns leider verlassen und konzentriert sich die nächste Zeit auf ihre Schwangerschaft. Sie war nur kurze Zeit bei uns, als Vertretung der eigentlichen Putzfrau. Wir haben uns aber sehr gut verstanden und ich war immer ihre Sister. Beim Abschied haben wir noch Nummern getauscht und vereinbart, wir besuchen uns.
Wie das aber so ist in Afrika, ich habe nicht damit gerechnet, dass sie sich meldet. Weil hier sagt man ja oft mal: Ich komme dich besuchen, ich ruf dich um 3 Uhr an...und nichts passiert. Umso größer war meine Überraschung als sie am Samstag angerufen hat. Also eigentlich hat ihr Boyfriend angerufen. Ich muss sie unbedingt besuchen kommen, Alwina erzählt immer so viel von mir. Ok, Lingo (Taxifahrer meines Vertrauens) hatte Zeit und hat mich nach Katutura gebracht. Vorher noch Geschenk für Alwina's Tochter gekauft und ein paar Schuhe für Alwina. Sie hatte vor ein paar Wochen meine Schuhe bewundert, für sie unbezahlbar. Es ging da um 10 Euro Schlappen, aber Alwina kommt aus Wanaheda, da wohnen die Ärmeren, diejenigen die nur zeitweise einen Job haben, diejenigen die sich niemals Schuhe für 10 Euro kaufen würden. Also, habe ich sie ihr gekauft.
Mit Geschenken beladen ging es auf ins Blechhütten-Meer.
Dieses Mal war ich unsicher, ich habe nur 20 Dollar für's Taxi mitgenommen, kein Handy, nichts wertvolles. Denn dieses Mal war ich allein. Kein Erick-Beschützer an meiner Seite.
Und ich wusste wirklich nicht was mich erwartet. Habe vorher eine Uhrzeit verabredet wann Erick mich da wieder abholt und ihm gesagt wen ich besuche, nur zur Sicherheit, damit man meine Leiche wieder findet und weiß wer der Mörder war. Ne, Quatsch, das hatte ich nicht erwartet, aber ausrauben hätte schon passieren können.
Also ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber DAS nicht.
Im Nachhinein habe ich Erick gefragt, ob die vielleicht Drogen nehmen oder besoffen waren.
Weil irgendwie waren alle Anwesenden verrückt...Er meinte nur, das sind Damaras, was hast du erwartet. Die ticken anders, die sind verrückt, er hat noch nie einen Damara getroffen, der normal im Kopf war. Der andere Gast im Taxi hat sofort zugestimmt, ja die Damara, die spinnen.
Ok, das erklärt Einiges. 
Und nun von vorne. 
Ich steige aus dem Taxi, Alwina und ihr Freund (Namen habe ich vergessen) erwarten mich bereits. Ich werde umarmt, gedrückt, geknutscht, betatscht. Ihr Freund kann es gar nicht fassen, dass ich endlich da bin und wie schön meine Haut ist und er muss mich dauernd am Arm anfassen.
Wir laufen durchs ganze Viertel und er hält mich die ganze Zeit am Arm, erstens weil ich so schön weiß bin, zweitens, er will jedem zeigen: Das ist MEIN Besuch!
Ich bin die ersten 30 Minuten hoffnungslos überfordert. Wir gehen jetzt von Hütte zu Hütte. Ich lerne die Familie kennen, die Mutter des Boyfriends, die Alwina und ihn kostenlos auf ihrem Grundstück wohnen lässt. Sie hat keine Zähne mehr, strahlt aber wie ein Honigkuchenpferd. Ich werde geschoben, von Mensch zu Mensch. Alle drücken und küssen mich. Eigentlich ist mir das Alles zuviel. Viel zu viel. An meinen Schienbeinen und Schenkeln kleben verdreckte Kinder, meine Backen werden gekniffen und geküsst. 
Die Musik ist unfassbar laut, alle feiern, lachen, trinken, und lassen mich nicht mehr los.
Ich verstehe kaum einen Namen weil es einfach unmöglich ist, sich zu unterhalten. Das ist Afrika. Musik zu laut gibt es nicht, es geht immer noch lauter.
Ich kann das gar nicht so richtig beschreiben, ihr könnt euch das Geschehen ungefähr so vorstellen:
Ein Soldat kehrt nach langem Auslandsaufenthalt nach Hause zurück.
So war das. Ehrlich. Die sind aufgesprungen, haben geschrieben, gelacht, getan, als würden wir uns nach ewiger Trennung endlich wieder sehen. Ich habe diese Menschen an diesem Tag zum ersten Mal gesehn. Aber die sind alle einfach völlig ausgeflippt.
Nach gefühlt unendlich langer Zeit nimmt Alwina mich an der Hand und sagt, wir gehen jetzt zu ihr nach Hause. Danke Alwina, Danke, Danke! Sie hat wohl gemerkt, dass das Alles ein bisschen viel für mich war. Aber sie ist so stolz auf ihre weiße Freundin, die muss sie halt überall rumzeigen. Und so oft verirrt sich keine Weiße in das Viertel.
Wir kommen in ihrer Blechhütte an. Ein Zimmer, aber groß. Auf der linken Seite das "Schlafzimmer", großes Bett, Spiegel, bisschen Stauraum für die wenige Kleidung. Rechts das Wohnzimmer, Couch, TV, Kühlschrank, zwei Herdplatten. Und das Wichtigste: eine Stereoanlage mit unglaublich riesigen Lautsprechern. Kein Geld für irgendwas, aber Anlage und Lautsprecher. Ich werde gleich erfahren warum.
Alwina bittet mich auf die Couch und kaum, dass ich Platz genommen habe, sitzen auch schon zwei völlig verdreckte Kinder auf meinem Schoß. Und mit verdreckt meine ich richtig verdreckt. Wochen oder Monate, oder überhaupt noch gar nie gewaschen verdreckt. Rotze überall im Gesicht, Staubschicht auf dem ganzen Körper. Die Haare wurden wohl noch nie gewaschen, die sind so verfilzt, kein Conditioner der Welt könnte hier helfen. Aber sie sind süss, trotz dem Dreck. Und wer verweist schon zwei süsse kleine Kinder von seinem Schoß, ich nicht. Die kleinere von beiden, ist vorlaut, frech, zum fressen goldig, vielleicht 2 Jahre alt. Die größere ist vielleicht 4 und redet kein Wort. Sie schielt ein bisschen und kommt mir leicht zurückgeblieben vor. Ich frage Alwina was mit ihr los ist. Sonst sind die Kids hier nicht so zurückhaltend. Sie erklärt mir, die Kleine redet nicht. Niemals. Sie ist immer so. Die Mutter ist Trinkerin und hat auch die komplette Schwangerschaft durch getrunken. Tja, und da haben wir das Ergebnis. Ein stummes, zurückgebliebenes Mädchen, das wunderhübsch ist und jede Unterstützung und Förderung dieser Welt verdient hätte. Aber wer soll sie unterstützen? Es kümmert sich keiner. Alwina tut das ab und zu, wenn sie Wasser oder Essen übrig hat. Und sie erlaubt der Kleinen und ihrer Mutter auf ihrem Grundstück zu schlafen. Draußen auf der Erde, aber wenigstens weg von der Straße.
Ich versuche in der Zeit in der ich da bin, soviel Zuneigung und Umarmung wie möglich an die beiden Mädchen weiterzugeben. Aber ich weiß, wenn ich weg bin, dann treiben sie sich irgendwo rum, keiner kümmert sich. Spielzeug gibt es nicht. Mir zerreisst es fast das Herz, aber ich werde diese Welt nicht ändern. In der Zeit, in der ich hier bin werde ich versuchen, so oft wie möglich Zeit mit diesen Kindern zu verbringen und ihnen die Zuneigung zu geben, die sie verdienen. Das ist mein Beitrag. Nicht viel, aber wenn ich sehe, wie glücklich die Kids über eine Umarmung sind, dann weiß ich, ein ganz kleines bisschen habe ich weitergeholfen. Und wenn ihr ein paar Euro übrig habt, für Porto und Kinderklamotten, die keiner mehr braucht. Hier gibt es viele, viele Kinder die ganz dringend Kleidung brauchen. Schuhe, Shirts, egal, sie haben so gut wie nichts, da ist Alles willkommen.
Und ich werde mir mehr Zeit nehmen, das habe ich mir ganz fest vorgenommen. Und ich muss mir ganz dringend was überlegen, wie ich mehr helfen kann. Spenden, Pakete aus Deutschland, um das Alles muss ich mich endlich kümmern.
Ich habe das zu lange schleifen lassen, aber in den nächsten Tagen werdet ihr von mir hören, mit der Bitte mir dabei zu helfen, wenn ich versuche zu helfen. Wenn ich könnte, ich würde jeden Tag mit einem LKW voller Essen und Kleidung dahin fahren. Aber das ist leider nicht möglich. Dazu fehlen mir die Mittel. 
Es gibt dieses Mal keine Fotos, ihr werdet verstehen, dass ich die Menschen dort, nicht wie Tiere im Zoo knipsen wollte. Und dazu kommt, ich hatte Handy und Kamera sicherheitshalber zuhause gelassen.
Aber, Schluß mit den tragischen Geschichten und zurück zu meinen Gastgebern. 
Und zur Stereoanlage. Denn jetzt erfahre ich endlich, warum Alwinas Freund zwei riesige Türme im Wohnzimmer stehen hat.
Alwina und ich sitzen vor der Hütte, Kinder auf'm Schoß und reden. Plötzlich wird die Musik aufgedreht und zwar auf eine Lautstärke, die haut mich fast um. Das ganze Viertel wird beschallt. Und dann steht er vor mir. Alwina's Lover. Und erklärt mir, Musik, das ist sein Leben. Die Songtexte, die berühren ihn, im Herzen. Und singen bedeutet ihm alles. Und was soll ich sagen, wenn ich nicht so komplett sprachlos gewesen wäre, ich hätte wohl lachen müssen. Da steht ein kleiner schwarzer Mann vor mir, und trällert lautstark Whitney Houston Songs. Weil die berühren ihn am meisten. 
Mittlerweile ist eine Nachbarin zu uns gestoßen und sie erzählt mir, das geht ja noch. Aber manchmal, da gibt er seine Whitney Konzerte nachts um 1 Uhr und das ist dann nicht mehr so witzig. Wenn das ganze Viertel schlafen möchte, was aber Dank der Whitney Imitation völlig unmöglich ist. Kann ich mir vorstellen. 
Aber man kann ihm auch nicht böse sein, weil er einfach ein zu lieber, lustiger Kerl ist.
Es wird Zeit sich zu verabschieden und jetzt geht die Umarmerei und Knutscherei wieder von vorne los. Als Alwinas Freund sich von mir verabschiedet, da sagt er mir, dass er mich wirklich mag und wenn das Baby da ist, dann muss ich unbedingt vorbeikommen. Und eigentlich hofft er, dass in Alwinas Bauch zwei Babys sind. Gott bewahre! Nicht noch mehr Kinder! Und dann sagt er mir, wenn ich jemals ein Dach über dem Kopf brauche, ich bin jederzeit willkommen. Er schläft dann auf der Couch und ich darf bei Alwina und den Kindern im Bett schlafen. Das ist wirklich herzallerliebst und ich freue mich, dass ich willkommen bin, aber auch ich habe meine Grenzen, die sind mittlerweile ziemlich weit gesteckt die Grenzen, aber beim Bett ist vorbei :-)
Ich freue mich schon heute auf den ersten Besuch aus Deutschland und ich weiß schon heute, den nehme ich mit zu Alwina's Familie. Weil, das ist so verrückt, das ist so Afrika, das ist so herzallerliebst, dieses Erlebnis, das muss ich irgendwann einfach teilen.
Leben in Africa - ?

Maria Grace – Maria´s Gnade - Mein Besuch im Waisenhaus

Ich hatte euch ja versprochen, ich mache mich am Wochenende auf den Weg und besuche verschiedene Waisenhäuser und mache mir ein Bild wo unsere Hilfe am dringendsten benötigt wird.
Das habe ich auch getan. Ich war in dem Waisenhaus Maria Grace. Und dann bin ich nach Hause gefahren und habe erstmal geweint.
Ich kann mein Versprechen im Bezug auf mehrere Waisenhäuser nicht einhalten. Ich war mit dem einen schon völlig überfordert. Mittlerweile bin ich ja schon etwas abgehärtet, hab schon einiges gesehen. Aber das hat mich umgehauen. Ein völliges Gefühlschaos, hilflos, schockiert, traurig, Mitleid, Zuneigung, Abscheu, alles irgendwie gleichzeitig. Vor allem war ich aber eines: völlig überfordert. Überfordert damit, nicht gleich an Ort und Stelle los zu weinen.
Und völlig überfordert damit, mir ein Bild zu machen an was es fehlt. Denn es fehlt an allem! Aber fangen wir von vorne an.
Ich hatte mit Erick vereinbart, dass er mich abholt und wir zusammen dahin gehen. Morgens hat er angerufen, geht nicht, seine halbe Familie ist angereist, will Geld, ist krank, hat sein „Haus“ übernommen und er muss so viele Family-Problems solven. Ok, das ist Afrika, da passiert so was. Ich bin zwar verärgert, aber ich verstehe. So ist Afrika. Und da Erick seine halbe Familie an Aids, TB oder sonst was verloren hat, drücke ich die Daumen, dass es nichts schlimmes ist.
Ich überlege lange was ich nun mache. Denn ins Herz von Katutura, so ganz allein als weiße Frau... Hm, schwierig. Ich mache es trotzdem. Erstens, ich bin wie immer neugierig, zweitens, ihr seid in Deutschland so leidenschaftlich dabei zu sammeln und zu organisieren, irgendwie bin ich euch das auch schuldig. Und es ist ja gut gegangen, mir war zwischendurch etwas mulmig, aber Schultern hoch und selbstbewusst durchs Hüttenmeer, da traut sich keiner was...hoffentlich ;-)
Ich fahre zuerst zum Soweto Markt, das ist eine Touri Anlauf Stelle in Katutura und einer der wenigen Hotspots die ich kenne. Da angekommen finde ich über Google Maps heraus, dass ich unmöglich bis zum Maria Grace laufen kann. Zu weit. Also neuer Taxifahrer. Dem verspreche ich 50 Dollar wenn er mich heil zum Maria Grace bringt. Bei soviel Geld leuchten seine Augen und ich darf natürlich einsteigen.
Er hat auch keine Ahnung wo sich das Heim befindet aber Dank Google Maps finden wir doch den Weg.
Ich steige am Anfang der Strasse aus, ich kenne auch nur den Straßennamen, es gibt ja hier keine Hausnummern. Also laufe ich los und nach 10 Minuten und ein paar netten Straßenkids die mir den Weg zeigen und mit mir laufen, komme ich endlich an. Von außen sieht es aus wie ein normales Haus. Also Katutura-Haus, nicht vergleichbar mit deutschen Häusern, aber ganz ordentlich. Ich schiebe das schwere Eisentor auf und trete ein. Es gibt keine Haustür, zumindest nicht vorne. Also kucke ich durch ein Fenster und 6 Jugendliche im Alter von ca. 13-18 kucken zurück. Ihr Gesichtsausdruck sagt: Was will denn die Weiße hier?
Ich frage sie nach der Besitzerin und sie schicken mich ums Haus herum. Nächste Gittertür und ich stehe im Hof. Und vor mir sitzen Maria und ein Mädchen, ca. 15 Jahre alt, ein Baby an der Brust. Ich stelle mich vor und sie erklärt mir, sie heisst Maria und das ist ihr Zuhause. Das sie mit vielen, vielen Kids teilt.
Maria ist schätzungsweise um die 60, plus/minus 10 Jahre, bei Afrikanern kann man das Alter schlecht schätzen. Das Haus und Grundstück gehören ihr. Und sie öffnet ihre Tür für Kinder die niemanden haben will.
Ich erkläre ihr warum ich hier bin und frage sie: „Meine deutschen Freunde und ich, wir würden gerne helfen. Brauchst du Hilfe?“
Sie sagt nichts und fällt mir einfach um den Hals. „Are you sure? Why do you want to help me?“ Ich antworte ihr: „because we can.“
Sie drückt sich eine Träne weg und nimmt mich an der Hand. „Come“ sagt sie und ich folge ihr. Während wir ins Haus gehen, frage ich sie, was braucht ihr denn am dringendsten? Was fehlt. Platz eins: Essen! Platz zwei: Kleidung! Platz drei: Schulsachen, Stifte, Blöcke, all so was. Und Platz vier: Windeln und Babynahrung! Die sind so teuer hier. Sie nimmt einen Stift und will aufschreiben was sie am nötigsten brauchen. Dann stoppt sie. „Weißt du was?“ fragt sie. Was? Wir brauchen einfach alles. Ich frage sie, was sie vom Staat bekommt? Da lacht sie. Da es ein privates Waisenhaus ist, bekommt sie kaum Unterstützung. Die Waisenkinder bekommen vom Staat Geld, so ungefähr 30-40 Euro, wenn ich sie richtig verstanden habe. Das ist zu wenig, hier kostet schon ein Liter Milch 1,40 Euro.
Windhoek ist nicht billig. Die Lebensmittel sind teuer. Im Vergleich zum Einkommen, unglaublich teuer. Die Schule ist eigentlich bis 16 kostenlos. Eigentlich. Denn das ist Afrika. Da glänzt man mit tollen Aussagen, jedes Kind soll die Möglichkeit haben zur Schule zu gehen, Grundschule und weiterführende Schule bis 16 kostenlos. Hm. Also, ja, im Prinzip gibt es keine Schulgebühr, aber die Materialien, Schuluniform, Gebühren für Ausflüge, Lernmittel, manchmal sogar Putzmittel und Klopapier, das Alles muss privat bezahlt werden. Ich weiß von Erick, dass auch er in keiner Schule war, nie. Ich habe mich damals gewundert, denn er kann sehr gut schreiben und lesen. Er hat mir gesagt, auch seine Eltern sind früh gestorben, seine ältere Schwester hat sich um die jüngeren Geschwister gekümmert. Aber ist als Straßenkind aufgewachsen. Und als er mit 14 nach Windhoek kam, da hat er zufällig eine Frau kennengelernt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, solchen Kindern lesen und schreiben beizubringen. Daher kann er schreiben und lesen.
Und solche Kinder gibt es hier im Überfluss. Und den Staat kümmert das herzlich wenig. Da fragt keiner nach ob irgendein Kind im Unterricht auftaucht.
Zurück zu Maria´s Zuhause.
Ich sehe mich im ersten Zimmer um, versuche möglichst meinen Mund zu zu lassen, hunderte von Fliegen schwirren um meinen Kopf. Es gibt ein Regal, da steht das Babyzeug, jedes Kleinkind hat sein eigenes Fach, der Name steht drauf. Halb leer getrunkene Milchflaschen, ich will nicht wissen, wie lange die klumpige Milch da schon steht. In Deutschland undenkbar, dass das noch getrunken wird, hier notwendig, man muss sparen.
Zwei Doppelbetten, ein Schrank, ein Kühlschrank (der gehört dem Nachbar, sie sparen aktuell um sich einen kaufen zu können) und eine Waschmaschine.
Hier schläft Maria, mit den kleinsten Kindern. Zu 8 oder so. Oje. Und gleichzeitig ist das Waschküche, und Vorratskammer.
Maria zieht mich weiter, über den Hof in den Anbau, denn als sie angefangen Kinder aufzunehmen, da war es nur das eine Zimmer. Durch Spenden konnte sie anbauen.
Das nächste Zimmer ist Wohnzimmer, Aufentshaltsraum, eine Couch gibt es nicht, nur unzählige Stühle und ein Fernseher. Hier wird also zu 27. Abends schön TV gekuckt. Wie im Kino. Hier sitzt die Nachbarin auf dem Boden, zusammen mit 5 Kleinkindern zwischen 1 und 2. Die krabbeln und wackeln direkt auf mich zu und ich weiß nicht, wen ich zuerst auf den Arm nehme. Ich entscheide mich für einen kleinen Jungen, höchstens 2 Jahre alt. Völlig verdreckt, klar, das sind sie alle. Er hat einen bösen Ausschlag um den Mund herum. Alles voller aufgeplatzter Blasen. Ich frage Maria ob sie beim Arzt war. Wann denn? Wer soll das denn machen?
Ärztliche Versorgung in Katutura gibt es, und zwar ein riesiges Krankenhaus, für mittellose Menschen ist die Behandlung kostenlos. Aber in dieses Krankenhaus strömen alle. Das bedeutet man wartet hier. Oft schläft man auf dem Gang um nicht am nächsten Tag wieder ganz hinten in der Schlange zu stehen. Aus dem ganzen Land kommen die Kranken hierher. Schlafen dann bei Verwandten in Windhoek. Das weiß ich, weil ja Erick´s halbe Familie auch grad da ist. Die wollen auch zum Arzt, seiner Nichte geht es überhaupt nicht gut. Ich habe ihn gefragt was er mit krank meint? Grippe oder was schlimmeres? Er weiß es nicht, Aids, TB, Grippe, wer weiß das schon. Ach herrje, ich schlucke jeden weiteren Satz runter.

Wer soll also mit dem kleinen Jungen wegen dem bisschen Ausschlag zum Arzt?
Wenn es nächste Woche nicht besser ist, dann werde ich mit ihm ins Krankenhaus fahren.
Ich gehe davon aus, dass mindestens die Hälfte dieser Kinder Aids hat oder HIV positiv ist. Es sind Waisen, ausgesetzt oder oft einfach weil die Eltern tot sind. An Aids gestorben. Flüstern darf man das, offiziell sterben die Menschen natürlich an TB.
Ich gehe weiter, sehe das Jungenschlafzimmer, drei Hochbetten, selbst gebaut, hier schlafen sie oft zu Viert pro Bett. Im Mädchenschlafzimmer das selbe, nur ein bisschen mehr Mädchenzeug. Aber sporadisch eingerichtet ist jedes Zimmer, bis auf die Betten und einer Tasche oder Koffer pro Kind gibt’s da nichts. Kein Kuscheltier, kein Spielzeug, nichts.
Das letzte Zimmer ist das Zimmer für die Mädchen die selber schon Kinder haben, aktuell hausen hier 3 Mädels zwischen 15 und 17 mit ihrem Baby. Zu 6. In einem Zimmer das nicht größer ist als euer Schlafzimmer.
Den Arm voller Kinder gehe ich weiter, auf den „Spielplatz“. Hier spielen Jungs und Mädels zwischen 4 und 10, schätze ich. Es gibt ein Schaukelgerüst, allerdings keine Schaukeln. Also ein Gerüst. Und ein ausrangiertes altes Auto vom Schrott, da spielen die Kids. Ich setze mich zu ihnen. Kaufladen spielen sie. Und ich darf da jetzt einkaufen. Die Spielsachen sind alte Blechdosen, aufgeschnitten, scharfe Kanten, mir wird schlecht als ich sehe mit was die da so spielen. Meine Schwester würde einen Herzinfarkt kriegen wenn ihre Kinder das anfassen würden.
Jede Mutter. Aber hier gibt es ja keine Mütter.
Maria tut was sie kann, aber sie ist allein. Sie ist alt und erschöpft. Ihr Mann ist vor Jahren gestorben. Sie hat aktuell 25 Kinder um sich. Stellt euch mal vor, wie überfordert ihr manchmal mit euren ein oder zwei Kindern seid?
25! Zwischen 1 und 18. Von Babygeschrei bis Teenagerproblemen ist da alles dabei. Dazu kommen noch die 3 Mütter die selber noch Kinder sind.
Wenn ich daran denke, wie gestresst meine Oma manchmal mit 6 Enkeln war, kaum vorstellbar, dass jemand allein in dem Alter sich wirklich um 25 Kinder kümmern kann. Maria nimmt sie auf, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sie den Kindern wirklich Zuneigung schenkt, sie oft in den Arm nimmt. Aber das ist nur mein Gefühl, ich darf mir kein Urteil bilden bevor ich nicht öfter da war.
Am Ende fällt mir noch ein Berg Knochen auf, was um Himmels willen ist das?
Manchmal da bekommen sie Fleisch geschenkt. Das wird gekocht, gebraten, ausgekocht, bis wirklich gar nichts mehr an den Knochen ist. Und die fliegen dann in den Garten. Eklig...
Ich verspreche Maria, dass ich ab nächster Woche 2-3 mal komme und ihr helfe. Das kann ich erst nach meiner regulären Arbeitszeit, denn ich habe hier ja auch noch einen Job, aber ab 17 Uhr kann ich ihr helfen.
Sie freut sich. Das wäre toll, die Kleinen ins Bett bringen, den Großen bei den Hausaufgaben helfen. Da ist sie nämlich überfordert. Da werden wir dann mal sehen, was ich noch so kann, oje, bloß kein Mathe!
Die Pakete aus Deutschland kommen, das verspreche ich ihr, aber das dauert noch, die Post in Namibia ist nicht die schnellste. Aber solange überhaupt alles ankommt, bin ich schon glücklich. Denn das ist hier auch nicht selbstverständlich.
Ich hoffe, dass ich mein Versprechen so gut wie möglich einhalten kann. Und sobald ich mich da etwas eingelebt habe, da wird geputzt, die Kids werden mich hassen, aber die werden alle eingespannt. Von Hygiene fang ich gar nicht an. Einigermaßen sauber wäre ja schon toll. Die Küche steht vor Dreck. Und diese Fliegen überall.
Nachdem ich mich von allen verabschiedet habe, gebe ich Maria noch 350 Dollar (25 Euro), bis auf mein Taxigeld ist das alles was ich bei mir habe, schiebe mich wieder durch das große Eintor und laufe zur nächst größeren Straße in der Hoffnung auf ein Taxi. Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich setze mich in das erste Taxi das vorbeifährt, ohne vorher zu fragen ob er meine Strecke fährt. Der Taxifahrer will schon lospoltern, da sage ich: „Hier sind 50 Dollar, fahr mich einfach nach Hause.“ Das lässt er sich nicht zweimal sagen, das sind 30 Dollar mehr als er verdient. Egal. Ich muss hier weg, ich muss nach Hause, ich muss das verdauen, zur Ruhe kommen. Ich gehe davon aus, der Fahrer ist ähnlich verwirrt wie damals die Zollbeamten in Frankfurt. Bei meiner Abreise nach Namibia habe ich nämlich das letzte Mal so geweint.
Zwei Gläser Wein später und alles von der Seele geschrieben, geht es mir wieder besser. Eine Nacht drüber geschlafen und eine liebe Nachricht von einer lieben Freundin, die Dank ihres Jobs wohl am besten nachvollziehen kann wie ich mich fühle, geht es mir heute wieder gut. Danke Steffi :-*

Ich war vorbereitet, dachte ich, aber das war ich in keinster Weise. Diese Kinder haben mir so furchtbar leid getan. Unter solch Umständen aufzuwachsen und das noch ganz allein, ohne Eltern, die eigentlich dafür da sind, dich auf deinen Weg zu bringen, dir Geborgenheit zu geben.
Mir wird klar, wie gut es mir ging. Ich bin mit Eltern aufgewachsen, großartigen Eltern, die immer dafür gesorgt haben, dass es mir gut ging, es mir an nichts gefehlt hat. Ich hatte immer zu Essen und ich hatte immer was zum anziehen. Ich durfte in die Schule, hatte immer Schulbücher. Ich war beim Arzt wenn ich krank war und was noch wichtiger ist, ich wurde getröstet, in den Arm genommen. Ich habe Liebe erfahren und Zuneigung. Ich habe eine tolle Schwester, war nie allein. Ich habe eine große tolle Familie, bei der ich sicher weiß, egal um was es geht, sie sind IMMER da. Wie dankbar ich bin! Wie gut es uns doch geht, wie sicher und geborgen wir doch alle aufwachsen durften. Es hat uns an nichts gefehlt. Das sieht man als Kind und Teenager anders. 
Aber diese Bewohner des Maria Grace, sie haben niemanden. Sie haben eine alte Frau, vom Leben gezeichnet, die ihnen ein Dach über dem Kopf gibt, zu Essen. Aber das wars dann. Und trotz alledem sind diese Kids so fröhlich, sie haben sich so gefreut mich zu sehen, haben gelacht, gespielt.
Und eigentlich sind sie nicht ganz allein. Sie haben sich, Freunde, und das ist verdammt viel wert. Und sie haben mich, ich werde versuchen ihnen möglichst viel von dem zu geben, was sie bisher vermissen mussten. Liebe, Zuneigung und ab und an eine Umarmung. Und sie haben euch. Die ihr so fleissig dabei seid, von so großer Entfernung zu helfen. Ich danke euch und die Kids werden es auch tun.
Wenn diese Kinder nicht viel besitzen, aber die Hoffnung auf ein besseres Leben, die Chance auf ein Leben, das haben sie.
Wer weiß denn besser als ich, wenn man etwas wirklich wirklich will, dann kann ein Traum in Erfüllung gehen. Und genau das werde ich versuchen, diesen Kids zu vermitteln. Sie hatten keinen einfach Start, aber man weiß nie wie das Leben sich entwickelt. Und wenn ich zusammen mit eurer Unterstützung nur ein paar Kinder auf einen guten Weg bringen kann, dann hat sich mein Aufenthalt hier schon gelohnt.

PS: Ich wollte Fotos machen, ehrlich, ich hatte sogar die Kamera dabei. Aber erstens, beim ersten Besuch gleich mal die Kamera auspacken? Irgendwie unpassend. Und zweitens, ich hab´s ehrlich vergessen, war zu sehr neben der Spur. Beim nächsten Mal :-)
 Die Abreise

Am 26. November war es soweit, nach vielen Abschieden stand mir der Schlimmste jetzt bevor. Meine Familie hat mich zum Flughafen gebracht und es war natürlich ein tränenreicher, sehr schwerer Abschied. Um ehrlich zu sein, es war so schwer, dass ich am liebsten nicht in den Flieger eingestiegen wäre. Einmal angefangen zu heulen, konnte ich überhaupt nicht mehr aufhören. Bei der Kontrolle wurden dann noch Sprengstoff Spuren an meinem Handgepäck gefunden und ich wurde von einem Zollbeamten und zwei Polizisten komplett gefilzt. Ich kann mir kaum vorstellen was die drei gedacht haben, das Mädel wird durchsucht, ok, aber ist das ein Grund so hemmungslos zu schluchzen? Die Herren haben einen wirklich verwirrten Gesichtsausdruck gemacht. Ebenso meine Mitreisenden. Alle fliegt in Urlaub und freuen sich und die kleine Rebbi heult sich die Augen aus dem Kopf und stürzt dabei zwei Gin Tonic hintereinander in sich rein...
Vor Erschöpfung bin ich dann irgendwann eingeschlafen und erst wieder aufgewacht als es schon Frühstück gab und wir kurz vor der Landung waren. 
Das Schlimmste überstanden, jetzt kann es nur noch aufwärts gehen!

Ich höre immer wieder: Du bist so mutig, ich bewundere dich.
Bin ich das, mutig? Oder habe ich nur einfach wieder eine Entscheidung spontan und aus dem Bauch heraus getroffen, ohne lange über Konsequenzen nachzudenken. Wahrscheinlich eher das...
Ich fühle mich nicht mutig, im Moment könnte man sogar sagen, ich hab die Hosen gestrichen voll!
Aber dann sag ich mir einfach:
"Wenn du am liebsten aufgeben möchtest,

dann besinne dich darauf,
warum du gestartet bist. "
Das hilft wirklich, denn gerade wenn´s dem Abschied zugeht, dann wird´s richtig hart. Man fängt an zu zweifeln, man hat ab und zu Angst vor dem Ungewissen, man kriegt Heimweh obwohl man noch nicht mal weg ist.
Völliges Gefühls-Chaos. 
Da gibt´s nur eins was hilft, einfach mal zur Ruhe kommen, und dann in aller Stille hören, was das Herz so sagt. Und meine Lieben, ich kann euch sagen, mein Herz sagt:
YEAH!
Living in Africa - Ausflug mit Erick

Heute weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll...
Erick hat mich auf einen Ausflug eingeladen. In "sein" Viertel. Katutura. Dort leben sowohl reiche Schwarze als auch die ärmsten der Armen. Blechhütten zwischen schicken Häuschen. Auf der Hinfahrt habe ich schon erste Erklärungen zu Katutura bekommen. Erick lebt dort seit 15 Jahren, eigentlich kommt er aus der Caprivi Region. Das ist der kleine Ausläufer Namibias ganz im Nord-Osten. Aber er fühlt sich wohl in Katutura, weil, dort ist man noch Nachbar. Einer achtet auf den anderen, geht das Salz aus, leiht man sich welches vom Nachbarn. Das ist im restlichen Windhoek nicht so. Da weiß man nicht mal wer neben einem wohnt, hohe Mauer, Anonymität. Deswegen lebt er lieber im Township.
Denn dort sind alle Bruder und Schwester. Er hat abgeraten jemals allein dorthin zu gehen, ich würde keine 10 Minuten überleben. Aber solange ich mit ihm unterwegs bin, ist Alles gut, ich gehöre also für einen Tag dazu. 
Naja, dazugehören. 
Wir kommen an und Erick stellt sein Auto bei der Autowäsche ab. Autowäsche hier heisst, selbstgebasteltes Zelt, dort parkt man und dann wimmeln zig Autowäscher um einen herum und man holt das Auto ein paar Stunden später wieder ab.
Katatura hat offiziell 50.000 Einwohner, allerdings ist die Dunkelziffer viel höher. 
Eine Woche vor Weihnachten ist Windhoek ausgestorben, d.h. es gibt auch keine Touri-Touren durchs Township. Was wiederum bedeutet, 50.000 Schwarze und ich.
Ich steige aus und es geht los. Ich werde von nun an angestarrt als wäre ich eine Ausserirdische. Am Anfang ist das ein total unangenehmes Gefühl und ich bin total verunsichert. Erick merkt das und beruhigt mich, solange ich an seiner Seite bin, passiert nichts. Ok, ich laufe den Rest vom Tag so dicht neben oder hinter ihm, dass ich ihn ständig schubse oder ihm auf die Füße trete. Egal, da muss er durch, er hat mich hierher geschleppt.
Wir parken also und los geht´s. Mitten durch´s Township. Blechhütte an Blechhütte. Kinder spielen im Dreck, Männer trinken in den unzähligen Bars, die Frauen sitzen in einer Hütte und lassen sich die Haare machen.
Wir machen uns auf den Weg, quer durch, ich sehe vieles was mich erschreckt, nach einer halben Stunde fällt es mir gar nicht mehr auf. Wir kommen im Kapana Meat Market an.
Und der erste Blick lässt mich erstmal stoppen. Im Ernst? Hier soll ich was essen? Tote Tiere überall. Hygiene ist nicht vorhanden. Theken aus Paletten zusammen gebaut. Darauf manchmal alte Pappe, meistens liegt das Fleisch einfach auf dem vor Blut triefenden Tischen. Hier wird Tag für Tag geschlachtet, ich will nicht wissen, wieviel Tierblut die Holzpaletten schon aufgesogen haben. Nicht drüber nachdenken, weiter gehts. Wir halten bei einer älteren Dame an, die wie die Königin mitten im Raum sitzt. Um sie herum ihre fleissigen Helfer, die schnippeln und rühren und warten auf Kommando. Big Mamma also. Erick stellt mich vor und sie steht auf und begutachtet mich erstmal von oben bis unten. Ich hab´s wohl durch ihre Kontrolle geschafft, sie gibt mir die Hand und begrüßt mich.
Puh, erste Hürde geschafft. Ich bekomme einen Teller, was eine Ehre ist, denn eigentlich isst man hier aus Zeitungspapiertüten. Wir gehen weiter und kommen am Braai Area an. Hier steht Grill-Master an Grill-Master und jeder hat natürlich das beste Fleisch. Das Gute ist, man kann ja testen. Es wird immer ein Stück Fleisch klein geschnitten und von den Stücken nimmt man dann eins und probiert. Wir probieren uns durch die ganze Reihe, was dazu führt, dass ich vorm Essen schon satt bin. Natürlich wird hier nicht mit Handschuhen gearbeitet, das war mir klar, dass sie aber das Fleisch mit ihren Händen hin und her schmeissen, hm, ne Grillzange wär irgendwie toll gewesen. Augen zu und durch, ich entscheide mich für mein Fleisch und Erick gibt auch sein Ok und der Teller wird gefüllt. 
Dann nimmt man sich noch vom wirklich geilen Spice (natürlich mit den Händen aus einer veranzten Pappschachtel) und weiter zur nächsten Station. Wir landen wieder bei Mama.
Erick bestellt irgendwas auf Ovambo und ich warte einfach mal ab was kommt.
Eine Angestellte serviert uns dann die Beilagen. Die bestehen aus zwei Brötchen. Die werden gemacht indem man Teig mit heisser Kohle umhüllt und abwartet bis sie fertig sind.
Das bisschen Asche schreckt mich jetzt auch nicht mehr ab. Dazu gibt es dann noch Tomatensalat und Maisbrei. Auf Besteck kann man lange warten. Also mit den Fingern. Kein Problem für mich, seit ich hier wohne habe ich meine Pingeligkeit vollständig abgelegt. Man tunkt das Fleisch ins Gewürz, dann schaufelt man mit dem Fleisch oder dem Brot oder dem Brei den Tomatensalat in seinen Mund. Ein wahres Geschmodder. 
Wenige Minuten vorher wurde mein Steak noch von Fliegen umschwärmt, jetzt ist es in meinem Magen. Und was soll ich sagen...ich hab noch nie Besseres gegessen. Ich genieße jeden Biss. So sitzen Erick und ich da, tauchen unsere Hände ins gleiche Essen und lassen es uns richtig gut gehen. Wer mich kennt, der weiß, ich bin da echt empfindlich, weder trinke ich aus fremden Gläsern, noch benutze ich Besteck von anderen Menschen. Tja, was hat Afrika nur aus mir gemacht? Jetzt matsche ich mit meinem lieben Freund Erick in einer Schüssel rum. Und es ist einfach nur herrlich!

Nachdem wir fertig sind, gehen wir auf dem Rückweg noch bei einer Open Air Bar vorbei.
Bar heißt, du kannst hier dein Auto für eine Wäsche abstellen, es gibt eine Blechhütte da ist der Frisör drin, eine Weitere für Essen und dann noch die Bar. Natürlich aus Blech. Und in der Mitte sitzen alle auf Plastikstühlen, feiern den Sonntag und betrinken sich fleissig. Reden ist fast unmöglich denn der DJ (House) gibt alles und es ist unglaublich laut. Da es so laut ist, schreien natürlich alle durcheinander. Ein echtes Chaos. Aber ich fühle mich wohl, trinke mein Bier und feiere mit. Den Sonntag. Diesen total aufregenden Tag.

Auf dem Rückweg zum Auto bekomme ich dann noch etwas zu sehen, was mich erst kurz schockiert, aber dann fällt mir wieder ein, Afrika...
Vier Kinder sitzen in einem umgedrehten Autoanhänger, also hinter Gittern und spielen. Kinder Aufbewahrung African Style... Erick will weiter, aber ich kann nicht, ich muss anhalten und mich vergewissern, dass es allen Kids gut geht. Was soll ich sagen, es geht ihnen sehr gut. Sie lassen mich eine Weile mit spielen, ich schicke Erick Fanta kaufen und spendiere ihnen ein kaltes Getränk. Als ich die glücklichen Gesichter sehe, können wir weiter. 

Wir kommen beim Auto an und ein alter Mann mit Stock stürmt auf mich zu, umarmt mich und sagt zu mir: "Ich freue mich so, endlich mal wieder eine Weiße in unserem Viertel. Es ist so schön, dass du uns besuchst." Er spricht sogar ein bisschen deutsch. Hatte früher deutsche Kollegen, die hat er auch ab und zu in sein Haus (Blechhütte) eingeladen. Meistens musste er sie heimbringen weil sie seine Shots (Schnäpse) nicht vertragen haben. Er erzählt mir, dass seine ganze Familie, Frau, vier Kinder, Schwiegertöchter und -Söhne, vier Enkelkinder in den Norden gefahren sind. Er ist jetzt ganz allein zuhause und das ist so schrecklich langweilig. Wenn ich Lust und Zeit habe, dann soll ich ihn doch mal besuchen. Jacobus, du bist ein Netter, ich mag dich. Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder. Wir rauchen noch eine zusammen und dann drängelt Erick zum Aufbruch.
Im Auto sagt er dann was echt Nettes zu mir. "Du könntest hier wohnen. Du magst Menschen und die Menschen hier mögen dich."

Ich bin schon ganz traurig, dass ich schon zurück in die WG muss. Aber Nein, wir fahren nur eine kurze Strecke bis zur nächsten Shopping Mall, trinken da noch einen Kaffee und spielen ein bisschen Billard. 

Als wir zum Auto gehen und ich einsteigen will, drängt Erick mich hinters Steuer. Ich bin jetzt Namibierin ( dass er das sagt, macht mich ein bisschen stolz :-) )und es fehlt nur noch eins. Linksverkehr. Ich zögere, aber keine Chance, wenn Erick was will, dann will er das. Also gut, so schlimm kann´s ja nicht sein. Ich sitze also im Taxi hinterm Steuer und fahre mich nach Hause.
Keinen Monat hier und schon bin ich Taxi Fahrerin. Erick lobt mich, ich bin eine gute Autofahrerin, mir vertraut er jederzeit sein Auto an und nächste Woche gibts die nächste Fahrstunde. Danke Erick, für dein Vertrauen, trotzdem bleib ich für´s erste lieber Beifahrerin :-)
Ein wirklich aufregender Tag geht zu Ende. Mein mulmiges Gefühl vom Anfang hat sich in Begeisterung gewandelt und heute Nacht träume ich bestimmt von zerhackten Tier-Teilen :-)

Bilder in der Gallerie...
Living in Africa - Shack-Besuch

Wer mich kennt, der weiß, es gibt da ein paar Eigenschaften an mir, die vielleicht in Kombination nicht besonders optimal sind. In diesem Fall waren das Neugier und mein naives Vertrauen in Menschen. Ich vertraue und glaube prinzipiell erstmal allen Menschen. Bis sie mich vom Gegenteil überzeugen, dann kann ich auch schon mal zickig werden. 
Dieses Mal hat mich mein blindes Vertrauen in eine Situation gebracht, die meine namibianischen weißen Freunde wohl eher nicht so gut finden. Ja Stephan, ich bin ein Eierkopf... und das ist gut so :-)
Zurück zur Geschichte. Erick und ich sind zum Essen verabredet. Er hatte Mitte Dezember Geburtstag, hat er mir erst Tage später verraten, aber da mussten wir natürlich nachträglich feiern. Ein Tag vor Weihnachten. Und außerdem wollt ich ihn sowieso mal einladen. Als Dankeschön, weil er mir schon soviel geholfen hat.
Nach 1 1/2 Stunden Verspätung trudelt er endlich ein, ich schon halb verhungert. Und dann hat er auch noch sein Taxifahrer Outfit an, heißt, erstmal umziehen. Ich steig in´s Taxi und er eröffnet mir: "Ich muss mich erst umziehen, so geh ich nicht mit dir aus." Lieber Erick, was meinst du mit umziehen? Wo? Natürlich bei ihm zuhause, so sonst. Ich bin erstmal starr vor Schreck, meint er das echt ernst? Ich kleines, weißes Mädchen, Abends um 9:30, Katutura, in seiner Hütte...kann doch nicht sein Ernst sein. Ich bin doch nicht lebensmüde. Ok, vielleicht doch, weil ich hab´s getan. Als weiße Frau allein in Tura, das ist bei Tag schon eine Herausforderung, mitten in der Nacht, eher bescheuert. Ja, ich weiß das Alles, aber da sind wir wieder bei meiner verdammten Neugier. Ich habe die Chance auf ´nen Shack-Besuch, wer lässt sich das schon entgehen. Shack, so nennt man die Blechhütten in denen die meisten Bewohner Katutura´s leben. Als Weiße da rein? Eher keine gute Idee. Ich frag Erick, ob er sich sicher ist, dass ich das wagen kann. Und, dass ich doch bestimmt die erste Weiße bin, die sich Nachts da rumtreibt. Er antwortet in seiner typisch, trockenen Art: "Ne, du bist die Zweite. Die Erste haben wir gegessen." Witzig, sehr witzig. Was soll´s, ich sitz eh schon im Taxi, hab tierisch Hunger, also fahren wir los. Als wir kurz vor Katutura sind, schliesst Erick sein Fenster. Ich frage ihn ob er bekloppt ist. Er meint nur, du solltest dein Fenster zu machen, es wird gleich unangenehm. Und das ist es schon, mit einem Schlag trifft mich ein abartiger Gestank. Kläranlage, Recycling, keine Ahnung was das ist, aber es stinkt fürchterlich. Und das direkt neben den Hütten. Wie halten die das aus?
Wir sind in Katutura, Hütte an Hütte. Langsam wird mir doch ein bisschen mulmig. Erick wohnt in der Nähe der Eveline Street, das ist die Straße in Katutura in der sich Kneipe an Kneipe reiht. Die Musik ist extrem laut, ich frage Erick ob das am Wochenende immer so ist. Er fragt zurück: "Wochenende?" Also ist da doch eher täglich Partytime angesagt. Naja, irgendwie muss man sich das Leben dort ja so schön wie möglich machen. 
Wir parken in einem Hinterhof, zwischen 5 Blechhütten. Eine davon gehört Erick. Zusammengeschraubte Blechplatten, aber eine vergitterte Tür :-) Vor der Tür eine Satelliten Schüssel, man gönnt sich ja sonst nix. Ich glaub, ich warte lieber im Auto, er meint, lieber nicht. Ich höre auf Erick. Also raus aus dem Auto, verdreckte Hunde begrüßen mich. 
Erick öffnet sein Zuhause für mich. Ich fühl mich ein bisschen geehrt, weil ich glaube, jeden lässt er hier nicht rein. Ich glaube auch, er muss sich schon etwas überwinden. Im Vergleich dazu wohne ich in der WG im Luxus. Könnte mir vorstellen, dass es ihm das ein bisschen peinlich ist. Sein Haus hat drei "Zimmer", oder vielleicht eher Kammern. Der Boden ist an manchen Stellen mit Platten ausgelegt, sonst platt getretene Erde. Die Möbel zusammen gesucht vom Sperrmüll. Aber, er hat einen tollen Kühlschrank und einen riesigen Fernseher. Leben im Schutt, aber ein toller Flatscreen muss schon sein :-)
Er verschwindet im Nebenzimmer und ich habe die Gelegenheit mich in der Hütte umzusehen, ich mache ein paar Fotos bevor er zurückkommt. Mit schlechtem Gewissen. Das ist sein Zuhause. Für mich aber irgendwie so unwirklich. Ich will nicht, dass er sieht, dass ich Bilder mache. Will ihn nicht verletzen. Aber ich möchte euch gern ein paar Eindrücke zeigen, damit ihr euch das vorstellen könnt. 
Himmel Herrgott. Ich sitze bei Erick in der Hütte, er bietet mir was zu trinken an, schaltet den Fernseher für mich an. Ist stolz. Stolz auf das was er erreicht hat. Ganz allein. Er hat eine Barracke für sich. Hat ein Taxi, im Januar vielleicht ein Zweites. 
Und in dem Moment, in dem ich da so in dieser verdreckten kleinen Hütte sitze, da wird mir mit einem Schlag klar, ich kann nie mehr zurück in mein altes Leben.
Stolz. 
Ich habe Erick gefragt, bist du stolz auf dich? Er meinte, klar bin ich stolz. Schau dich um, ich kam allein hierher, ich war 17 Jahre alt. Er hat recht, darauf kann er stolz sein.
Bin ich stolz? Darf man stolz sein ohne arrogant und eingebildet zu wirken?
Ich finde ja. Wir sind alle viel zu wenig stolz. Habt ihr euch schon mal gefragt, worauf ihr stolz seid? Ich wette, es gibt mindestens 10 Dinge oder Taten auf die ihr stolz seid.
Die ganzen letzten Wochen habe ich so oft gehört, wie mutig ich bin und wie sehr mich manche um diesen Mut beneiden. Ich habe das immer herunter gespielt. Aber wisst ihr was, ja ich bin stolz. Ich hab Eier in der Hose und ich finde, ich hab mich ganz schön was getraut. Es gab Momente, da wollte ich aufgeben, da wäre ich am liebsten in den Flieger gestiegen und hätte mich von meiner Mama in Arm nehmen lassen. Dafür ist man ja nie zu alt. 
Aber diese Momente gehen auch immer wieder vorbei. Wenn ich mich dann wieder darauf besinne, warum ich diesen Schritt gegangen bin, dann bin ich mir ganz schnell wieder sicher: ich habe das Richtige getan.
Es gibt ständig Hürden die ich überwinden muss. Wenn man ganz auf sich allein gestellt ist, dass ist das schon eine Herausforderung. Und es gibt Tage, da wünsche ich mir, dass jemand da ist, der einfach mal für ein oder zwei Tage mein Leben bestimmt und ich mich um nichts kümmern muss. 
Fremdes Land, fremde Sprache, fremde Menschen. Immer wieder stoße ich kurz an eine Grenze, aber bisher habe ich es doch geschafft, diese immer wieder zu überwinden.
Das fängt im kleinen an, wie um Himmels willen heißt Bettbezug auf englisch? Wie kauft man hier Pre-Paid Strom? Wie lädt man seinen Handy Kredit auf? 3 Stunden Bankbesuch bis ich endlich mein Konto hier eröffnen konnte. Wie schafft man es, nicht ständig von Taxifahrern abgezockt zu werden, nur weil man weiß ist. Wie macht man Verkäufern klar, dass man nicht im Geld schwimmt, nur weil man weiß ist.
Wie kommt man am Ziel an, wenn man sich nicht auskennt und die Taxifahrer keine Straßennamen kennen? Wie findet man eine bezahlbare Wohnung? Wo krieg ich einen Kühlschrank her? Wo kann ich hin? Wo bleib ich besser fern? Wem kann ich vertrauen, wem nicht? Wie lernt man am schnellsten sämtliche Lodges dieses Landes, ihre Lage und Preise auswendig? Warum muss ich mit einer englischen Tastatur arbeiten?!
Herausforderungen, klein, groß, aber sie sind immer wieder da.
Wie ich das Alles meistere? Nun, ich mach einfach. Ohne groß darüber nachzudenken.
Und ich habe zwei Dinge gelernt, die immer helfen. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Sei stolz, aber sei nicht zu stolz um jemanden um Hilfe zu bitten. 
Und trete zur richtigen Zeit selbstbewusst und arrogant auf. Bleib im Taxi sitzen und bestehe auf deine 10 $ Rückgeld. Stecke nicht zurück und sei ein Mäuschen, zeig dem Taxifahrer, dass er vielleicht Touristen abzocken kann, aber hey, du bist local, mit dir nicht!
Und wenn du nach Hause kommst und es schleicht ein Schwarzer auf dem Grundstück rum und versucht dich zu bedrängen. Dann bedräng ihn zurück. Du kannst die Hosen bis zum Anschlag voll haben, aber das muss er ja nicht wissen. Gib Kontra und brülle zurück. Ich habe viel aufgegeben um dahin zu kommen wo ich jetzt bin. So einfach lass ich mir das nicht nehmen.
Ich bin stolz auf mich!
Auf was seid ihr stolz?
Grenzen überwinden - Neues Label - Neue Herausforderungen

Nach meinem nächtlichen Shack Besuch habe ich mir überlegt, hey, wow, Angst überwunden, da geht doch noch mehr?!
Wir werden ständig mit unseren ganz eigenen Grenzen konfrontiert. Ob das nun eher kleine, leicht zu überwindende Grenzen sind oder wirklich große Herausforderungen. Ganz egal. Es gibt sie. Die Ängste, die Phobien, die klitzekleinen "Ich trau mich vielleicht doch nicht" Geschichten. Ich weiß nicht warum, aber dieses Land fordert mich heraus. Vielleicht habe ich so eine Art Größenwahn entwickelt, vielleicht lebe ich einfach in dem Irrglauben, jetzt hab ich soviel geschafft, da kann mich nichts mehr stoppen. Irgendwie habe ich nun die fixe Idee entwickelt. Grenzen, Ängste, kann man überwinden. Das muss doch gehen. Das fängt bei kleinen Dingen an, wie bei meinem Shack Besuch, wobei das vorher auch eine etwas größere Überwindung war. Weil mir so viele Leute Angst gemacht hatten. Weil ich so viele Geschichten gehört habe. Aber am Ende, als ich mir selbst ein Bild gemacht hab, da war das halb so schlimm. 
Es wird nun immer mal wieder Geschichten von mir geben, in denen ich versuche meine persönlichen Grenzen zu überschreiten. Mit Sicherheit werde ich das ein oder andere Mal über meinen Schatten springen und mit stolzer Brust davonstolzieren, mit Sicherheit werde ich oft genug scheitern. Macht nichts. Ich mach´s trotzdem :-)

Nach meinem Besuch in Erick´s zuhause, habe ich meine nächste Grenze direkt auch wieder in seinem Beisein geknackt. Autofahren in Afrika. Der Linksverkehr ist eine Sache. Auf dem Parkplatz ein bisschen mit Erick´s Auto rumkurven eine Andere. Autofahren zwischen all den bekloppten Taxifahrern wieder was anderes.
Ich bin die deutsche Ordnung gewohnt, da kriegt man die Krise wenn man mal 20km/h zu schnell ist.
Hätte ich mich getraut, wenn Erick nicht einfach an den Straßenrand gefahren und in den Streik getreten wäre? Wenn er sich nicht geweigert hätte weiterzufahren, weil er ja schließlich den ganzen Tag fährt und da ist es ja nur gerecht wenn ich auch mal fahre. 
Wohl eher nicht. Also was blieb mir schon übrig als mich hinters Steuer zu setzen. Wenn man nicht nach Hause laufen will, dann fährt man halt...
Das Spielchen hat er 2-3 Mal gemacht, um mich zu testen, kann ich echt fahren? Ich bin ja immerhin eine Frau! Und dann sein heiliges Taxi. Bis auf Motor, Bremse und Radio funktioniert da gar nichts regelmäßig. Mal fällt das Licht aus, Tacho geht seit Monaten nicht. Ach, die Scheibenwischer, die gehen, die habe ich die ersten Male jedesmal statt dem Blinker in Gang gesetzt. Das hab ich mittlerweile drauf, nur blinke ich grundsätzlich erstmal in die falsche Richtung. Aber das interessiert ja hier nicht so wirklich jemanden.
Bei der ersten Fahrt habe ich mich noch geziert, ich hatte keinen Führerschein dabei. Da hat er gelacht, wen interessiert das denn? Die Polizei ist viel zu faul jemanden zu kontrollieren :-)
Geschafft, nächste kleine Grenze überwunden, Erick vertraut mir sein Auto an und mittlerweile fahr ich fast jedes Mal. Ohne Führerschein. Manchmal ohne Licht. 
Wir lachen uns jedesmal schlapp wenn wir an der Ampel anhalten. Dass wir zwei angestarrt werden, das ist nichts Neues. Aber, dass eine weiße Frau hinterm Steuer eines verranzten Namibianischen Taxis sitzt...das gab es hier noch nie. Eine weiße Taxifahrerin, die einen Schwarzen rumkutschiert...ihr müsstet die Gesichter sehen...
Ich habe mich als so gute Fahrerin erwiesen, Erick erlaubt mir mittlerweile sogar anzuhalten und Leute mitzunehmen. Die werden dann gar nicht mehr fertig mit Staunen.
Manchmal, da will ich aber nach Hause, da können sie am Straßenrand noch so lange winken. Ich winke zurück und rufe: "Sorry guys, finishing time, have a nice evening!"
Natürlich bezahle ich nicht wenn ich selbst fahre. Wäre ja noch schöner!

Grenze überwunden und dabei unter 6000 Taxifahrern in Windhoek zur ersten (weißen) Taxifahrerin in Windhoek geworden. 
Es lebe die Emanzipation ;-)













Taxi Stories - Lektion 1 - Taxi finden

Taxi Stände gibt es natürlich nicht, für was auch...
Hier stellt man sich an die Straße und wartet bis eine verbeulte, alte Karre mit einer Nummer auf den Türen vorbeifährt. Und dann hält man die Hand hoch, aber meistens ist das nicht mal nötig. Die sehen das schon von weitem wenn da ein potentieller Kunde am Straßenrand wartet. Wenn der Taxifahrer hupt, ist Platz und er ist willig dich mitzunehmen. Wenn er nicht hupt, dann winkt er, aber das muss nicht heissen, dass er dich mitnimmt, manchmal sind Taxifahrer auch einfach nur freundlich und fahren winkend im Affentempo an dir vorbei.
Grundsätzlich steht man aber nicht länger als 5 Minuten, Taxis gibt es wie Sand am Meer und es ist jedes Mal ein Abenteuer.

Taxi Stories - Lektion 2 - Bezahlen

Taxi-Uhren gibt es natürlich nicht, für was auch?!
Diese Lektion muss man schnell lernen, denn man spart viel Geld.
Den Preis, den bestimmt man irgendwie selber und wenn der Taxifahrer einverstanden ist, dann gehts los. Man bezahlt direkt beim Einsteigen, sagt wo man hin will und wenn der Taxifahrer mit dem Geld zufrieden ist, steht einer Fahr nichts mehr im Wege. Ist er das nicht, wird erstmal diskutiert und evtl. muss man dann halt nochmal 10 Nam-Dollar (1,30 €) drauflegen. Die ersten Fahrten hab ich natürlich immer zuviel bezahlt, aber: ich lerne schnell :-)

Taxi Stories - Lektion 3 - Der Weg und das Ziel

Das ist jetzt eigentlich witzig, aber wenn man irgendwohin möchte, sich noch nicht auskennt, dann kann einen Lektion 3 echt zur Verzweiflung bringen.
Namibianische Taxifahrer kennen keine Straßen. Und das ist kein Witz. Nicht mal große, wichtige Hauptstraßen, einfach Null. Hier muss man Hotspots nennen und nach denen orientieren sie sich. Das war die ersten paar Male eine echte Herausforderung. Ich kenn keine Hotspots, der Fahrer keine Straßen. Na prima. Aber nach einigem Hin und Her bin ich dann doch immer dort angekommen wo ich hin wollte.
Ich muss dringend sämtliche Hotspots dieser Stadt auswendig lernen :-)
Denn hier fährt man IMMER mit dem Taxi, selbst die kürzesten Strecken, aber ehrlich gesagt, es ist auch definitiv zu heiss zum laufen!
Wenn ich also vom Zentrum nach Hause will, dann sage ich nicht meine Straße, sondern: 
Pioneerspark, right side, Puma Service, Spar Bottle Store. Und schon bin ich zuhause :-)

Taxi Stories - Lektion 4 - Wer reinpasst, darf mit

Meine bisher gruseligste Erfahrung mit der Taxi Welt.
Ich steige ein und will nach Hause und bevor wir losfahren können, zack Tür auf und es steigen nochmal 3 Herren ein. Ich sitze also eingekeilt zwischen 4 Schwarzen und das Taxi fährt los. So, jetzt hat mein letztes Stündlein geschlagen, das war mein erster Gedanke, gefolgt von: wie komm ich hier wieder raus? Irgendwann hab ich dann gedacht, nutzt ja alles nix, was soll die Panik, jetzt sitz ich eh, da brauch ich jetzt auch keine Szene machen.
Zum Glück, denn alles war ganz harmlos. Hier teilt man sich Taxis und alles was reinpasst darf mitfahren. Mittlerweile hab ich mich dran gewöhnt, aber beim ersten Mal, das war vielleicht ein Schreck. Heute lach ich drüber und bin traurig wenn ich ganz allein fahren muss :-)
Living in Africa - Fazit 1 Woche (der 2. Advent, wow! Kaum zu glauben bei weit über 30 Grad)

Heute habe ich mir selbst ein paar Fragen gestellt und ich dachte, das interessiert euch bestimmt auch. Also werde ich von nun an in regelmäßigen Abständen einen Fazit-Post schreiben. Dieser enthält immer die gleichen 5 Fragen an mich selbst und ich bin schon heute gespannt wie sich das so entwickelt. Wenn ihr was wissen wollt, euch Fragen einfallen die spannend wären, Themen die euch interessieren, immer her damit! Ich freue mich über Inspiration :-) Kommentiert einfach diesen Post und ich versuche eure Ideen umzusetzen.

1.) Wie fühle ich mich?
2.) Was habe ich gelernt?
3.) Wer oder was hat mich am meisten beeindruckt?
4.) Was vermisse ich?
5.) Was vermisse ich überhaupt nicht?

1.) Wie fühle ich mich?
Also die erste Woche war ein heftiges Auf und Ab der Gefühle. Anfangs haben Traurigkeit und Heimweh meine Gefühlswelt dominiert. Der Abschiedsschmerz war noch soooo präsent! Ab Mitte der Woche hat sich das dann gewandelt und ich habe angefangen mich einzuleben, mich zu öffnen für Neues, die Augen aufzumachen für dieses unbeschreiblich tolle Land. Und mein Fazit nach einer Woche ist: Ich bin angekommen!

2.) Was habe ich gelernt?
Ohne Witz, ganz trivial, ich habe gelernt die Straße zu überqueren! Wenn man 40 Jahre lang gewohnt ist, erst nach links und dann nach rechts zu schauen, dann dauert das eine Weile bis man sich umgewöhnt. Mittlerweile hab ich das ganz gut drauf, aber ich kuck immer noch lieber zwei mal mehr :-)
Und ich habe gelernt, wie schnell man vergisst. Ich war die ganze Woche fast ausschliesslich in Englisch unterwegs und heute beim skypen mit einer Freundin, da ist mir tatsächlich nur noch das englische Wort für Strom eingefallen! Geht das echt so schnell? Heftig!
Habe auch schon ein bisschen afrikaans gelernt, die Hitze hier beschreibt man so: Is fokken warm!

3.) Wer oder was hat mich am meisten beeindruckt?
Das war ohne Frage der liebe Gottlieb. Was für ein aufgeweckter, sehr sympathischer junger Mann. Ich habe mich so toll mit ihm unterhalten und er war überaus hilfsbereit und nett. Hat noch so viele Träume und Wünsche und kämpft unbeirrbar dafür. Ich drücke ihm beide Daumen!

4.) Was vermisse ich?
Euch Alle! Ohne Frage. Aber was noch? Ich vermisse mehr-lagiges Toilettenpapier :-( Ich wähle nicht zwischen 3- oder 4-lagig, ich gebe mich hier mit 1-lagig zufrieden.
KAFFEE! Richtig guten Kaffee! Im ein oder anderen Restaurant gibt es wohl ganz passablen Kaffee, aber in 99% aller Fälle ist das echter Muggefugg (schreibt man das so?)
Ich sehne mich so sehr nach einer Tasse richtig gutem Kaffee!

5.) Was vermisse ich überhaupt nicht?
Das kalte, triste, eklige Wetter. Es ist tatsächlich ein riesengroßer Unterschied wenn man morgens aufsteht und die Sonne scheint. Und sie geht auch nicht weg. Und sie scheint am nächsten Tag wieder. Das hebt die Laune um 100 Prozent! Ich gebe zu, das ein oder andere Mal jammere ich ein wenig über die Hitze, aber am Ende bin ich doch froh, dass ich hier in kurzer Hose und Top im Garten sitze und den blauen afrikanischen Himmel genieße.
Die Einheimischen jammern übrigens auch, es ist extrem heiss im Moment und wir warten auf Regen.
Und was ich auf jeden Fall auch nicht vermissen würde, das wären diese vermaledeiten Moskitos! Während ich hier sitze habe ich mir 4 Stiche eingefangen, das nervt echt. Wegen dieser kleinen fiesen Viecher darf die nächste Spinne die sich in mein Zimmer verirrt übrigens auch dort wohnen bleiben. 

Tja, das war in Kurzform die erste Woche. Kaum zu glauben, das ging rasend schnell. Morgen ist übrigens mein erster Arbeitstag, da bleibt weniger Zeit zu schreiben, aber ich halte euch auf dem Laufenden! 

Om môre, Baai!














Erste Begegnungen mit der Polizei

In dieser verrückten Stadt Windhoek, da stehst du morgens auf und wenn du wüsstest wie der Tag endet...du würdest im Bett bleiben...
Man weiß nie was passiert und es passiert einfach immer irgendwas.
Es ist Samstag früher Abend, ich bitte Erick mich zur Tanke zu fahren, bin getrennt von der Außenwelt, kein Kredit mehr auf'm Handy. Das geht gar gar gar nicht.
Also holt er mich ab und wir fahren zur Tanke, bevor wir wieder nach Hause fahren, hält er unterwegs an weil er mal muss. Ich sitze im Auto und warte und plötzlich halten zwei Polizeiwagen neben mir, die Officer steigen aus, öffnen die Tür und fragen nach dem Fahrer. Kommt gleich wieder sage ich, was um Himmels willen ist denn jetzt wieder los. 
Erick kommt zurück, muss seine Papiere zeigen und ohne dass man uns informiert um was es geht, werden wir aufgefordert den Autos zur Wache zu folgen. 
Wir gehorchen natürlich, ich frage Erick: "Sag's mir lieber jetzt gleich, ich erfahr es ja eh, was hast du angestellt?" Er hat keine Ahnung. Kann ich glauben oder auch nicht, in dem Moment habe ich keine andere Wahl. 
Auf der Wache wird Erick abgeführt und ich stehe da, in einer verranzten, runter gekommenen Police Station, wo die Polizisten rumliegen und schlafen, Youtube Videos anschauen aber auf keinen Fall arbeiten. Bis auf einige wenige. Erick verschwindet zusammen mit anderen Verbrechern und einigen Polizisten hinter einer schweren Metalltür und ich warte und warte. Dann geht's los. Ich höre nur noch die Officers brüllen und Erick kleinlaut antworten, dazwischen das Gemurmel von den anderen Weggesperrten die entweder total betrunken sind oder mit Drogen voll gepumpt. Und mein Film im Kopf geht los. Ich denke, meine Güte, Afrika, ich hab so schlimme Dinge schon gehört, wie es im Knast abgeht. Ich sehe Polizisten vor mir die Gefangene foltern, die Bilder aus dem nahen Osten von Polizeiverhören machen sich in mir breit. Mit Mühe kann ich mich unter Kontrolle halten und fange nicht an zu heulen. Der Officer der Erick abgeführt hat kommt zurück und sagt ich soll mir ein anderes Taxi suchen und nach Hause fahren. Ich bin kurz davor ihm eine zu klatschen. Was genau hast du verpasst? Windhoek, Samstagnacht, weiße Frau allein in nem Strassentaxi? Dann kann ich mich ja gleich nackt ausziehen, auf die Straße stellen und warten bis mich einer vergewaltigt, ausraubt und abmurkst.
Ich sage:Nein! Er fragt warum und ich erkläre ihm, der einzige Mann in Namibia mit dem ich Nachts allein Auto fahre wird gerade von euch festgehalten. Nie und Nimmer steige ich in ein anderes Taxi. Er sagt: "Gut, dann fahren wir dich nach Hause." Und wieder sage ich: "Nein!" Er schaut mich an:"Aber wir sind die Polizei." "Ja, ich weiß, ändert an meiner Aussage aber rein gar nix." Von da an habe ich es natürlich verkackt. Aber er kann mich ja nicht zwingen in sein Auto zu steigen. Auf die Straße abschieben kann er mich auch nicht, zu gefährlich, also muss er wohl oder übel hinnehmen, dass ich wie ein Presser vor dieser Metalltür steh. Ich bin nervlich wirklich sehr angespannt, denn das Gebrülle hört nicht auf. 
Ich bin mittlerweile soweit, dass ich nen Junkie auf der Straße um ne Kippe anschnorre...natürlich hat er keine.
Natürlich wird hinter dieser Tür keiner gefoltert und geschlagen. Erick kommt mit seinem typischen Grinsen irgendwann wieder zurück, nach stundenlangem Warten.
Ich bin in der Zeit zu einem Zombie geworden, Hände zittern, bin total fertig, hab bis dato immer noch keine Ahnung warum wir eigentlich da sind, keiner redet mit mir. Das Gebrülle, die Junkies, die Besoffenen, die Frauen die zwischendurch immer mal wieder reinkommen um eine Anzeige zu machen (weswegen könnt ihr euch ja denken). Menschen die an allen möglichen Stellen bluten, Schlägereien, Jugendbanden...ich will eigentlich nur noch weg, aber ich lasse auf keinen Fall meinen besten Freund hier.
Ich werde langsam zickig, lege mich mit dem Officer an, super hilfreich! Aber ich kann nicht anders, der arrogante Arsch geht mir so auf'n Keks. 
Am Ende stellt sich raus, völlig harmlos, eine Kundin hat ne Anzeige erstattet, die so haltlos ist, dass nichts passieren wird. Aber sie ist die Cousine von dem Officer und da macht man natürlich den Gegner erstmal fertig. So läuft das hier. Ist deine Verwandtschaft bei der Polizei dann hast du gute Karten und man hört dir zu und hilft dir. Wenn nicht, tja, dann hast du echt verschissen. Ich war vor kurzem mit meiner schwarzen Freundin bei der Polizei, sie wurde von einem Taxifahrer mehrmals ins Gesicht geschlagen (passiert hier häufiger) und hatte sogar ein Video davon, ein Passant hat das zufällig gefilmt. Und was hat die Polizei gemacht? Nichts, gar nichts! Geh zum Arzt und bring ein Attest, in dem steht, dass du verletzt bist. Witzig! Und macht nicht so ein Drama. Dieser Taxifahrer fährt immer noch (V385, never drive with that cab, please!).
Ich habe diese Geschichte dem Polizisten vorgeworfen, weil ich so aufgeregt, verärgert, nervös und völlig fertig war, habe ich vom deutschen direkt ins englische übersetzt und statt my friend war sie dann mein girlfriend. Na toll, in dem Moment als die Wörter rauskommen, wird mir klar, was ich sage und jetzt ist der Bock ganz fett. Jetzt denkt er noch ich bin lesbisch. Was für mich persönlich nicht tragisch wäre, in diesem Land aber mehr als verachtet ist. Und natürlich, jetzt werden wir erst Recht wie Scheisse behandelt und Erick gibt alles um das Missverständnis aufzuklären.
Nach vielen, gefühlt unendlichen Stunden sitze ich wieder mit Erick im Taxi und er bringt mich nach Hause. In der Nacht, wie so oft, finde ich kaum in den Schlaf weil mein Kopf so voll ist. Ich weiß nicht warum, andere Menschen leben hier seit Jahren und haben nicht mal ansatzweise diese vielen Erlebnisse gehabt wie ich. Das habe ich Erick auch schon vorgeworfen. Mein Leben hier wäre ohne ihn so viel ruhiger, stressfreier...aber auch sooooo viel langweiliger :-)
Und morgen stehe ich wieder auf und bin gespannt was passiert... aber auf Polizei Erfahrungen verzichte ich künftig sehr gerne ;-)
Sex-Business

Ich habe euch ja schon erzählt, an manchen Tagen, da bimmelt mein Handy spät Abends und die Nacht endet in Ericks Taxi mit endlosen Diskussionen.
Gestern war wieder einer dieser Abende. Ich hatte gerade meinen Sleeping Dress angezogen, Zähne geputzt, auf's Bett gechillt und mich in meinen Krimi vertieft, als Erick anrief. Er hatte Nachmittags schon angekündigt, dass er Abends nochmal vorbei schaut, aber wer kann schon wissen, dass er das ernst meint?
Er stürmt rein und sagt nur: let's go! Hä? Wohin? Rumfahren, Sonntagabend ist eher nicht soviel zu tun und da ist ihm dann langweilig. Ich sage, ok, ich komme mit, unter zwei Bedingungen:
1. Ich komme so mit, wie ich jetzt aussehe, weil ich überhaupt keine Lust habe mich nochmal anzuziehen.
2. Es wird eine interessante Fahrt und er muss mir was zeigen, was ich noch nicht kenne.

Einverstanden, für Erick ist das ja wie immer: normal, that's africa. Also im Schlafanzug ab ins Taxi. Sieht ja groß keiner, ich sitze ja.
Und ganz im Ernst, während wir rumfahren, treffen wir zwei Jungs, die im Pyjama an der Strasse stehen. Ich mache große Augen, Erick lacht, er hat's mir ja gesagt, that's normal!

Wir cruisen durch die Nacht, sammeln den ein oder anderen Fahrgast ein und diskutieren.
Thema: Prostitution.
Schwieriges Thema für mich. Weil, das ist in diesem Land einfach zu heftig. Prostitutierte sind hier Abfall. Sie werden behandelt wie der letzte Dreck. Manchmal bekommen sie für ihre Dienste 5 Dollar (0,35 Euro), manchmal kriegen sie einfach nur Schläge und werden aus dem Auto geworfen. Ich hasse dieses Thema, gleichzeitig lässt es mich nicht mehr los. Irgendwas muss man da doch machen können...
Erick erzählt mir, diejenigen die in Windhoek Town an der Strasse stehen, denen gehts noch einigermaßen gut. Die Frauen, die in Katutura ihren Körper verkaufen, die sind wirklich arm dran. Die werden oft misshandelt, auf die schlimmste Art die man sich vorstellen kann. Die Frauen die von weißen Männern geordert werden, die werden gut behandelt, es gab bei Erick's Kunden noch nie jemanden der eine Frau geschlagen oder schlecht behandelt hat. Erick weiß das, weil er die Mädels nach ihrem Business auch wieder im Hotel abholt und zurück zu ihrem Platz an der Straße bringt. Sie berichten ihm dann fast immer wie es war.
Erick fährt in Windhoek Town kreuz und quer und sagt, "zieh deine Kapuze über'n Kopf, dann denken die du bist ein Mann und machen sich bemerkbar." Er bringt mich in die Ecken Windhoeks an denen sich die Damen platzieren. Nebeneinander stehen sie da, bieten sich an. Immer in Gruppen, allein ist zu gefährlich.
Ich frage Erick, ob viele seiner weißen Kunden manchmal Frauen bei ihm bestellen.
Klar, sagt er, ganz oft. Am meisten die Russen, die bezahlen aber auch gut. Ihn und die Frauen. Wenn die Frauen Erick's Taxi sehen, drängeln sie sich nach vorne, jede will von ihm mitgenommen werden. Denn sie wissen, wenn er eine Frau hier abholt, dann gibt's gutes Geld.
Er erzählt mir von den Vorlieben, große Hupen, sexy Hinterteil, dicke Frauen, junge Frauen, erfahrene ältere Frauen. Bestellungen wie aus dem Katalog. Ich frage Erick: "liegst du manchmal falsch? Wurde schon mal eine zurückgegeben?" Er schaut mich an:" Nein, niemals. Und wenn ich mir nicht sicher bin, dann lade ich 4 Frauen ein und der Mann sucht aus." Lieber Himmel, das widert mich an. Andererseits ist es für diese Frauen die einzige Möglichkeit ihre Kinder zu ernähren. Die Männer aus Angola müssen immer extra zahlen, weil die stundenlang....oder die nehmen sich gleich mehrere Frauen. Jesses, jetzt reichts. Ich teile Erick mit, dass ich genug gesehen habe und von diesem Ort weg will.
Wir fahren weiter. Gabeln eine Familie mit zwei kleinen Kindern auf, um 10 Uhr Abends, die müssen noch bis ins tiefste Katutura. Normalerweise würden sie fast den ganzen Weg laufen, da kein Taxifahrer da jetzt noch hinfährt. Erick erbarmt sich und wir bringen sie nach Hause. Bei der Gelegenheit fahren wir durchs Township, Nachts. Und so kenne ich Katutura nicht. Es ist dunkel, es ist ruhig, nur noch wenige Bars offen, kaum jemand auf der Straße. Sonntag, sagt Erick, da gehn die Leute früh ins Bett, das Wochenende war hart, Montag müssen viele wieder arbeiten. Vor einer ganzen Weile schon, hat er die Türen verriegelt und seine Panga griffbereit zwischen den Füßen. Panga ist ein Taschenmesser in riiiiieeeesengroß.
Ich frage ihn: "hey, bin ich hier noch safe?" Er beruhigt mich, mit ihm immer, und eigentlich werden Taxifahrer nicht angegriffen, die schlimmen Jungs wissen, ein Taxifahrer ist immer vorbereitet und hat entweder eine Panga oder eine Pistole. Ok, ich vertraue Erick.
Ich frage ihn: " Wie gefährlich wäre es jetzt für mich, hier auszusteigen und zu laufen?" Der Gast auf der Rückbank fängt an zu lachen. Ich sage, hier ist doch niemand, die Straßen sind leer. Jetzt lachen beide. Sie schlagen mir vor: wir lassen dich hier aussteigen und warten 10 Meter weiter auf dich. Wenn du die Strecke schaffst, und lebend am Ende ankommst, dann bist du echt gut.
Ich verzichte natürlich. Lebensmüde bin ich nicht. 
Die Beiden erklären, selbst wenn du denkst, es ist niemand auf der Straße, irgendjemand ist immer da und beobachtet dich. Wartet auf seine Chance. Und wenn er nur 10 Dollar erbeutet, das ist für manche viel Geld. Sie tun so, als würden sie sich nicht kennen, jeder kommt aus einer anderen Richtung, bis du plötzlich umzingelt bist. Und dann rappelts in der Kiste. Wenn du Glück hast, nehmen sie dein Geld, Handy und was du sonst noch so hast, und lassen dich unversehrt. Das ist aber eher selten...

Ich verzichte auf lebensmüde Abenteuer an diesem Tag und bleibe im sicheren Taxi.
Nachdem Erick und ich noch den ein oder anderen Gast nach Hause gebracht und uns eine Portion Pommes geteilt haben, machen wir uns auf den Heimweg. Ich liege irgendwann mit dem Kopf voller Gedanken im Bett, Erick arbeitet noch ein bisschen.
Aus einem "normalen" Sonntag, ist wieder ein Tag voller Eindrücke und Geschichten geworden. 

Wen das Thema Prostitution in Namibia näher interessiert, der kann sich das kurze Video anschauen, aber seid gewarnt, nicht ganz einfach zu verdauen...

 https://vimeo.com/198707337
Freitag Nacht im Katutura Krankenhaus

Heute erzähle ich euch von meiner Nacht im Katutura Krankenhaus. Mir wurde immer wieder erzählt, dass, wenn Monatsende ist und das Gehalt auf dem Konto, dann wird es heftig im Ghetto Hospital. Neugierig wie ich bin, musste ich mir das natürlich ansehen. 
Da es für mich als weiße Frau immer sehr schwierig war zu gewissen Zeiten in bestimmte Viertel zu gehen, habe ich mir erstmal jemanden gesucht der mich begleitet. Meine Wahl fiel auf Chris, meinen Flüchtlingsfreund aus Sambia. Mit ihm hat man immer Spaß, er ist verlässlich und schwarz. Was es etwas sicherer machte, mit einem schwarzen Mann an meiner Seite konnte ich fast überall hin.
Chris war sofort bereit mit mir zu kommen. 
Und das hört sich nun etwas verrückt an, aber mit Chips und ein paar Drinks machen wir uns an einem Freitag Abend auf den Weg. Wie andere ins Kino, gehen wir in eine Live-Vorstellung. Wir brechen um 22 Uhr auf und wie mir schon berichtet wurde, es interessiert wirklich niemanden wer da so im Krankenhaus rumspaziert. Es gibt keine Pforte, keine Einlasskontrolle. Wir können uns also spät Abends frei im Haus bewegen. Kein Mensch kontrolliert uns. Wir sehen uns erstmal die verschiedenen Abteilungen an, den Wartebereich, die Medikamentenausgabe und verschiedene Stationen. Natürlich werden wir etwas merkwürdig angesehen, denn dorthin verirrt sich normalerweise kein Weisser, schon gar keine Frau und erst Recht nicht Freitagabend. Aber keiner spricht uns an. 
Und an diesem Abend erlebte ich, was in meiner Heimat Deutschland völlig unvorstellbar ist. Beim Wartezimmer fängt es schon an, unzählige Sitz- und Stehplätze, hier passen hunderte Menschen rein. Und jetzt weiß ich, warum Menschen hier tagelang warten bis sie zum Arzt vorgelassen werden. Sie schlafen im Wartezimmer damit sie nicht ihren Platz in der Schlange verlieren. In Deutschland drehen die Leute durch wenn sie länger als 10 Minuten warten müssen. Hier wartet man Tage.
Wir gehen weiter und folgen den Blutspuren auf dem Boden, auf zur Notaufnahme, das war schließlich unser Ziel. Wir bleiben erstmal am Ende dieser Schlange stehen und beobachten. Ein paar total betrunkene und völlig verrückte Männer unterhalten uns musikalisch und mit Vorträgen über Gott und die Welt. Sie werden vom Sicherheitsdienst rausbegleitet und sind 5 Minuten später wieder da. In dieser Schlange stehen Verletzte, Kranke, aber auch Angehörige. Hier findet die Erstversorgung und manchmal auch die gesamte Versorgung statt. Man wird notdürftig zusammengeflickt und dann entweder auf eine Station gebracht oder nach Hause geschickt. Und das alles passiert direkt vor unseren Augen, denn es gibt zwar Vorhänge, aber der Einfachheit halber sind diese nicht zugezogen. Während ein paar Kakerlaken zwischen unseren Füßen hin und her huschen beobachten wir, wie Kopfwunden behandelt werden, Messer aus Körpern gezogen und diese wieder zugenäht werden. Fruchtblasen platzen, gebrochene Körperteile erstversorgt werden. Ich bin sprachlos, wir stehen also quasi direkt im Behandlungszimmer, die Ärzte und Pfleger haben zwar Handschuhe an, aber von sonstigen hygienischen Vorkehrungen ist nichts zu sehen, geschweige denn ist irgendwas steril. 
Viele kommen mit dem privaten Auto an, es dauert zu lange bis der Krankenwagen kommt. Und da auch die Sanitäter überfordert sind, trägt man den Verletzten selber rein oder man klaut drinnen eine Trage und holt so die Menschen ins Haus. Wenn einer mit Rückenverletzung dabei ist, dann ist da jetzt wohl alles hinüber. 
Aus Rücksicht auf die Patienten habe ich nicht aus der Nähe fotografiert, aber ich kann euch sagen, da waren einige eklige Verletzungen dabei. Denn am Wochenende geht es heiss her im Ghetto, Messerstechereien, Schiessereien, Schlägereien, es fließt viel Blut.
Die Putzfrauen kommen mit dem Wischen nicht hinterher. 
Die Patientenunterlagen liegen übrigens direkt neben uns, wir könnten theoretisch alle Krankenakten der heutigen Nacht in Ruhe durchlesen, weil es keinen interessiert.
Um 3 Uhr beschliessen wir, es ist genug und machen uns auf den Weg nach Hause. Hätte ich das Alles am Anfang meines Aufenthalts erlebt, es hätte mich erschreckt, aber nach all der Zeit, allem was ich gesehen habe, bin ich etwas abgestumpft (leider und zum Glück). 
Ich bin froh, dass ich eine Nacht dort verbringen konnte, ich werde mich nie wieder über zu lange Wartezeiten beschweren. 
Danke Chris, für ein weiteres afrikanisches Abenteuer, das ohne dich nicht möglich gewesen wäre. 
In diesem Sinne, bleibt gesund!
Die Frau ohne Schuhe

Mein Sonntag fängt toll an. Erick macht sich 2 Stunden frei und wir gehen ins Craft Center. Solltet ihr jemals in Windhoek sein, im Craft Center gibt es den besten, warmen Apple-Crumble mit Vanille Eis.
Zuerst teilen wir uns einen Chicken-Wrap mit Salat (Salat für mich, Chicken für Erick) und danach den besten Apple-Crumble der Welt.
Noch kurz einkaufen, Zeug nach Hause bringen, 2 Touris abholen, ein paar Tüten mit Spendenklamotten und Spielzeug packen und auf gehts nach Tura.
Heute nur kurz, wir besuchen “nur” ein paar Familien die wir kennen und bringen das Nötigste an Winterkleidung. Die Touris noch durch ein paar Shacks und die schlechten Wohnbedingungen führen und ab nach Hause. Habe Erick versprochen, ich koche heute für uns. Frikadellen, grüne Bohnen und Kartoffelbrei. Total Deutsch.
Wir geniessen ein leckeres Abendessen und während ich schon im Bett liege und chille, sortiert Erick Klamotten. Wie immer geht ein großes Paket nach Katima Mulilo im Norden, unsere Freunde dort vergessen wir nie.
Um kurz vor 10 jagt er mich aus dem Bett und sagt, wir müssen noch Kunden abholen, los gehts. Na bravo, mal wieder im Pyjama ins Taxi und noch eine Runde drehen.
Wir holen ein Pärchen vom Kino ab, bringen zuerst das Mädel nach Hause und auf dem Weg zu seinem Zuhause beginnt der schrecklichste Abend den ich hier je hatte.
Wir überqueren die Grenze zu Katutura und fahren eben an einem Friedhof vorbei, als Erick eine Vollbremsung und einen U-Turn vom Feinsten hinlegt. Er schreit mich an: “Ruf die Polizei, ruf die Ambulanz. Sofort!” Ich schnalle überhaupt nicht was jetzt los ist, aber ich spüre sofort, wenn er so nervös und aufgeregt ist, dann geht da grad was Schlimmes vor sich. Während ich aufgeregt die Notruf Nummer wähle, halten wir vorm Friedhofstor. Und jetzt sehe ich es auch. Da liegt eine Frau. Die Schuhe liegen ein paar Meter neben ihr, ihr Kleidung sitzt nicht da wo sie sein sollte. Sie ist entweder tot oder bewusstlos. Und jetzt wird meine Erinnerung irgendwie schwammig und ich verliere auch das Zeitgefühl. Mein erster Reflex ist, aus dem Auto springen und zu der Frau gehn, schauen ob sie noch lebt, Hilfe braucht. Erick hat aber die Türen schon längst verriegelt und lässt mich nicht aussteigen, auch der Fahrgast auf der Rückbank versichert mir jetzt: “das ist absolut unmöglich!” Ich kann hier nicht das Auto verlassen. Es könnte eine Falle sein oder die Typen die der Frau was angetan haben, könnten noch irgendwo sein. Ich kann bitten und betteln, sie lassen mich nicht aus dem Auto. Nachdem alles vorüber ist, werde ich Erick dafür sehr dankbar sein. In dem Moment dreh ich fast durch. Da liegt eine Frau und ich kann ihr nicht helfen. Das ist ein richtiges Scheiss-Gefühl!
Nachdem ich gefühlte 10x weiter verbunden wurde, habe ich endlich die City Police am Ohr und sie versprechen gleich zu kommen, ebenso die Ambulanz.
Der Gast auf der Rückbank redet gar nicht mehr, steht wahrscheinlich unter Schock. Ich auch, aber bei mir äussert sich das zu der Zeit mit totalem Ausrasten. Erick und ich brüllen uns an.
Wir fahren ständig an der Strasse auf und ab, mit dem Auto hier stehenbleiben ist zu gefährlich. Immer an der Frau vorbei. Können nicht erkennen ob sie noch atmet und sind beide der Meinung, da bewegt sich nichts, die ist bestimmt tot. Gefühlt sind wir 4 Stunden vor der Frau hin und her gefahren, in Echtzeit schätze ich mal so 30 Minuten. Endlich kommt die Ambulanz. In Gemütsruhe steigen sie aus, kucken sich die Frau an, gehen zurück zum Krankenwagen, ziehen sich Handschuhe über, bis sie endlich mal den Puls fühlen und uns zurufen, “she’s alive!”. Gott sei Dank! Wobei, ich weiß nicht, was sie durchgemacht hat und vielleicht wäre sie lieber tot. Sie geben der Frau ein paar Klapse auf die Wangen und sie kommt irgendwann wieder zu Bewusstsein. Und fängt direkt an zu schreien. Sie ruft nach ihrer Mama. Immer wieder.
Wir werden noch kurz von der Polizei verhört und dürfen dann weiterfahren. Wir haben ja niemanden gesehen. Leider. Wieder Täter, die ein Opfer zurücklassen und nicht dafür bestraft werden.
Wir bringen unseren Fahrgast nach Hause und dann darf auch ich nach Hause.
Eigentlich will ich gar nicht. Denn ich habe Angst. Zum ersten Mal seit ich hier bin, habe ich richtig Angst.
Ich weiß von all den Überfällen und Vergewaltigungen hier im Land. Aber zum ersten Mal Zeuge zu sein, das ist was ganz anderes!
Es wird real. Und es wird einem bewusst, das kann ganz schnell gehen und dann liegst vielleicht du da. Und es wird keiner anhalten und dir helfen. Weil jeder Angst hat das nächste Opfer zu sein.
Das Ergebnis dieses Abenads?
Ich wage mich noch weniger allein auf die Straße, im Dunkeln schon gar nicht.
Ich kontrolliere unser Gate zuhause jeden Abend 3x.
Ich schlafe schlecht, immer wenn ich die Augen schließe sehe ich diese junge Frau vor mir. Der Anblick hat sich in mein Gehirn, meine Gedanken gebrannt. Komischerweise erinnere ich mich am besten an ihre Schuhe. Braune Sandalen mit Kork Absatz. Und ich sehe ständig diese Schuhe auf der Straße liegen.
Ich weiß, das wird nachlassen und die Erinnerung verblassen, ich werde das verarbeiten und irgendwann auch wieder besser schlafen. Das dauert vielleicht noch ein Weilchen. Aber wird schon wieder.
Und ich habe Erick. Er ruft mich täglich ein paar Mal an und fragt wie es mir geht und lenkt mich ab.
Er ist der Meinung, das war nicht so schlimm. Er hat schon weitaus Schlimmeres gesehn. Für mich aber, war das sehr schlimm.
Ich wollte direkt meine Mama anrufen und mich ausheulen. Erick hat mich abgehalten: “Was denkst du, was du erreichst, wenn du Nachts um 23:30 deine Mutter anrufst und ihr was vorheulst? Sie kann dir nicht helfen und macht sich nur Sorgen.”
Ja, da hatte er recht, ich weiß, aber ich hatte halt Heimweh.
Nach dem sicheren, sauberen, soliden, ordentlichen, klitzekleinen Örtchen Forbach,
wo du Nachts deine Haustür offen stehen lassen kannst ohne das irgendwas passiert.

Fazit:
Ich glaube, man kann noch so alt sein, wenn etwas echt Schlimmes passiert, dann will man auch mit 40 noch sofort seine Mama anrufen.
Oder besser noch, sich einmal von ihr ganz fest drücken lassen.

PS: Mir geht es gut, macht euch keine Sorgen. Und sollte ich tatsächlich mal zu leichtsinnig sein, dann habe ich stets einen Aufpasser namens Erick an meiner Seite :-)
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